Wie viel Glauben reflektieren ist gesund?
In vielen Bildungseinrichtungen lernt man, wie wichtig es ist, sich zu reflektieren. Auch den eigenen Glauben. Aber wie viel Glauben reflektieren ist gesund
In den letzten Wochen haben wir uns auf STEPS Leaders damit beschäftigt, warum junge Menschen ihren Glauben verlieren, und an welchen Stellen wir vielleicht helfen können. Aber was machen wir, wenn sich bei uns selbst Zweifel und Anfragen melden? Muss es nicht auch eine gesunde Art und Weise geben, seinen Glauben zu reflektieren? Und: Wie viel Glauben reflektieren ist denn dann gesund?
ZWEIFEL GEHÖREN DAZU
Die gute Nachricht vorweg: Zweifel gehören zum Leben als Christ auf dieser Erde dazu und sie bedeuten nicht das Ende der Welt oder des Glaubens. Vielmehr ist unser Lebensweg ja gerade davon geprägt, dass wir immer wieder die Anfechtung unseres Vertrauens zu Gott und seinem Wort erleben und dabei erfahren sollen, dass er sich als zuverlässig erweist: „Haltet es für reine Freude, meine Brüder, wenn ihr in verschiedener Weise auf die Probe gestellt werdet. Ihr wisst ja, dass ihr durch solche Bewährungsproben für euren Glauben Standhaftigkeit erlangt.“ schreibt Jakobus zu Beginn seines Briefes (Jakobus 1,2-3).
Es wäre ungesund, aus der Erfahrung mit Menschen, die ihren Glauben verlieren, zu schließen, dass wir uns um jeden Preis vor dem Zweifel schützen müssen, bis hin zur Angst, irgendwelche Anfragen an unseren Glauben zuzulassen.
Wir glauben als Christen ja nicht in der Abwesenheit von Gründen, so dass wir Angst haben müssten, das Kartenhaus könnte beim leisesten Windzug in sich zusammenfallen. Ganz im Gegenteil: Die Christenheit war sich immer der augenscheinlichen Unglaublichkeit ihrer Botschaft bewusst. Das „Wort vom Kreuz“ ist den meisten Menschen eine „Torheit“ (Römer 1,18). Es leuchtet nicht ein. Und doch sind die Christen seit jeher überzeugt, dass die Botschaft von Jesus sich dem als zuverlässig erweist, der sie vertrauensvoll unter die Lupe nimmt. Lukas widmet sein Evangelium einem Mann namens Theophilus, damit er „die Zuverlässigkeit der Dinge erkennt“, in denen er von anderen Christen unterrichtet worden ist (Lukas 1,4).
Eine perfekte Abschottung gegen jeden Zweifel ist weder möglich noch begehrenswert. Die Anfechtungen im Leben kommen, ob wir es wollen oder nicht. Die entscheidende Frage ist dann, wie wir mit ihnen umgehen, wohin wir uns mit ihnen wenden.
ZWEIFEL SOLLEN ZU GOTT FÜHREN, NICHT ZU UNS SELBST
Das Entscheidende für einen gesunden Umgang mit unseren Zweifeln ist, dass wir lernen, wo wir Hilfe für sie finden: Bei Gott selbst. Wenn „den Glauben reflektieren“ darauf hinausläuft, dass wir beginnen uns immer weiter um uns selbst zu drehen, um die Erlebnisse, die die Zweifel ausgelöst haben, um die Gefühle, um unsere Wünsche, dann landen wir letztlich im Nichts. Der Mensch kann sich nicht selbst Sicherheit geben. Es ist gut und wichtig, Verletzungen und Emotionen in uns korrekt wahrzunehmen, aber ein gesunder, mündiger Umgang mit ihnen bleibt nicht bei der Wahrnehmung und immer weiteren Selbst-Sezierung stehen. Das wäre im alltäglichen Leben kein gesunder Umgang mit unseren Emotionen und er ist es auch im Glauben nicht.
Jakobus, der oben schon kurz zu Wort kam, schreibt: „Wenn jemand von euch nicht weiß, wie er das tun soll, dann darf er Gott um diese Weisheit bitten. Er wird sie ihm ohne weiteres geben und ihm deshalb keine Vorwürfe machen, denn er gibt allen gern. Doch wenn er diese Bitte vorbringt, soll er das mit Gottvertrauen tun und sich keinen Zweifeln hingeben. Ein Zweifler ist nämlich wie eine vom Wind gepeitschte hin- und herwogende Meereswelle.“ (Jakobus 1,5-6)
Das ist der Unterschied zwischen gesundem und ungesundem Zweifel, zwischen gesunder und ungesunder Glaubensreflexion. Wenn wir anfangen nur noch uns und unsere Gefühle zu reflektieren, uns anzuschauen, wie wir glauben, dann wenden wir, ohne es zu merken unsere Augen von dem Gegenstand, an den wir glauben, ab und geben uns stattdessen ganz dem Zweifel hin. Eine gesunde Reflexion des Glaubens, ein mündiger Umgang mit Zweifeln besteht aber eben darin, dass wir uns mit all unseren Anfragen bewusst an den Gegenstand unseres Glaubens zu wenden: Jesus, unseren Gott und Schöpfer. Als Christen vertrauen wir Jesus und bitten doch immer wieder „Herr ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9,24).
VOM ZWEIFEL ZUM GESTÄRKTEN GLAUBEN
Zu Glauben bedeutet, zu vertrauen. Der Zweifel ist deswegen das natürliche Gegenstück zum Glauben, das Urproblem in unserer Gottesbeziehung: „Sollte Gott wirklich gesagt haben?“, „Ist Gott wirklich gut?“, „Ist Gott überhaupt?“… Aber genau deshalb haben Anfechtungen auch das Potenzial, uns im Glauben wachsen zu lassen. In ihnen dürfen wir erfahren, wie Gott sich bewährt. Es ist nicht unser Glaube, der in diesen Zeiten geprüft wird, sondern Gottes Wort, seine Versprechen, seine Zusagen und Gebote, die vom Zweifel infrage gezogen werden. Aber jedes Mal, wenn wir als Menschen die Erfahrung machen, dass Gottes Wort stehen bleibt, dass er vertrauenswürdig ist, gewinnt unser Glaube an Resilienz. Wir werden „standhaft“ (Jakobus 1,3).
Standhaftigkeit ist nicht die Abwesenheit von neuen Zweifeln und Problemen, sondern eine Zuversicht in allen Fragen, dass Gott sich auch dieses Mal wieder bewähren wird, weil er es in der Vergangenheit getan hat. Diese Erfahrung zu machen, solche Standhaftigkeit im Glauben zu erlangen, die eben nicht davon lebt, dass sie Probleme kleinreden und abblocken muss, das ist tatsächliche Mündigkeit im Glauben.