Wie umarme ich einen Igel?
Manch ein Teenager in unserer Gruppe benimmt sich so abweisend, dass es schwer ist in Kontakt mit ihm zu kommen. Und doch ist es uns wichtig sein Herz zu erreichen. Dieser Artikel gibt Anregungen.
Heute sah ich einen Igel auf der Fahrbahn am Straßenrand ruhen. Er schien nur darauf zu warten, überfahren zu werden. Im ersten Moment wirkt ein Igel spitz und abweisend, aber beim genaueren Betrachten merke ich, dass er sowohl hungrig, verletzlich als auch schutzbedürftig ist. Ein Igel ist auf Nahrungssuche und hält Ausschau nach einem schützenden Unterschlupf im Laub.
So ähnlich verhalten sich manche Personen in unserm Teenagerkreisen auch. Manchmal scheinen uns in der Teen- und Jugendarbeit Igel zu begegnen, die nicht einmal welche sein möchten. Sie geben sich stachelig und machen es uns Mitarbeitern schwer, an sie heranzukommen. Ohne Beziehung zu einem Menschen wird es schwierig, ihn an die Hand zu nehmen und zu einem Jünger zu machen. Doch wir wünschen uns, dass wir zu ihnen ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen, damit sie ihre Stacheln einfahren. So bekommen wir die Möglichkeit, den Glauben an Jesus Christus und seine Liebe an sie weiterzugeben. Ohne Beziehung zu einem Menschen wird es schwierig, ihn an die Hand zu nehmen und zu einem Jünger zu machen.
Von mir kenne ich selbst manchmal eine Igeltendenz, wo ich mich lieber verkrümele, nichts von mir preisgebe und am liebsten nur beobachten möchte. Allerdings geht es in der Teen- und Jugendarbeit nicht um uns selbst, sondern um den Dienst an dem Anderen. Diese Tatsache sollten wir uns klar machen und im Gebet um Gottes Liebe, Hilfe und Kraft im Umgang mit den Teenagern bitten. Es geht um mein Gegenüber und seine Entwicklung. Doch setzt es voraus, dass ich mich selbst von Gott prägen und leiten lasse. Jesus will uns ein Vorbild im Dienen sein:
„Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“(Johannes 13, 14-15)
Barry St. Clair schreibt in seinem Buch „Mitarbeiter mit Herz“:
„Die Qualität unseres Lebens wird die Quantität unseres Einflusses bestimmen.“
Auf ihn zugehen
Bevor ich jemanden „umarme“, ist es erforderlich, Schritte in seine Richtung zu unternehmen, um Vertrauen zu gewinnen. Eine Person mit allen Eigenarten und Schwächen lieb zu gewinnen und sie nicht verändern zu wollen, sondern „so“ anzunehmen, ist eine große Herausforderung. Folgende Stichpunkte können uns dabei eine Hilfe bei der Umsetzung sein:
Interessieren
= Anteilnahme (an etwas) erregen; in jemandem den Wunsch erzeugen, sich näher mit etwas zu befassen oder für etwas einzusetzen, Anteil nehmen, dazwischen sein
Einerseits meint es, sich als Mitarbeiter für den Teenager interessieren und ihn dort abholen, wo er gerade gedanklich und situativ steht. Denn das ist echtes Interesse am anderen. Er bekommt die Möglichkeit durch eine Tür zu gehen, die ich ihm aufhalte, um etwas von sich und seinem Leben preiszugeben. Diese Türe kann ich öffnen, indem ich mich selbst öffne und beispielsweise von meinen Alltagssituationen, Erlebnissen, Erfahrungen, oder gar Peinlichkeiten berichte. Wir sollten nachhaken, beständig, glaubwürdig und ehrlich sein.
Andererseits meint es Interesse in ihm zu wecken, sein Leben und seine Gedanken zu überprüfen, indem er beginnt nach Gottes Wort und seiner Sicht der Dinge zu leben.
Inspirieren
= geistig anregen, zu einem Tun veranlassen; dazu bringen, etwas zu unterlassen
„Du kannst einen Fisch fangen und einen Menschen damit einen Tag lang ernähren, oder du kannst einen Menschen das Fischen lehren und ihn sein Leben lang ernähren.“ (Verfasser unbekannt)
Um jemanden zu inspirieren, brauche ich Zeit und Erlebnisse mit dem Andern. Das ist gar nicht so einfach in einer vollen Berufswoche mit Terminen, Verpflichtungen und anderen Kontakten. Trotzdem ist es wichtig, dass wir immer wieder Zeit außerhalb der regelmäßigen Gruppentermine investieren, um im wahrsten Sinne „Raum“ zu finden für gemeinsame Erlebnisse, gute Gespräche und ein Vertiefen von echten Beziehungen, um sich zu zweit oder dritt zu treffen, so dass jeder einmal zu Wort kommt und einfach miteinander gelacht wird. Eine gute Erfahrung habe ich mit einem Jüngerschaftskurs gemacht, inklusive Übernachtung und Zeit zum Lachen.
„Gott kann uns dazu benutzen, um andere zu beeinflussen, aber unser Einfluss wird im Verhältnis zu dem Lebensstil stehen, den wir führen.“ (Barry St. Clair)
Involvieren
= einbeziehen, einschließen
Ich freue mich sehr über Freundschaften, die in der Jugendgruppe untereinander geschlossen werden, die den Teenagern Angenommensein vermitteln und emotionale Bindung geben. Das ist das Involvieren der Gruppe selbst. Außerdem können wir sie als Mitarbeiter aktiv in diverse Verantwortlichkeiten mit einbeziehen (beispielsweise die Adressenliste pflegen, Kuchen mitbringen etc.). So können wir ihnen gegenüber Zugehörigkeit und Wertschätzung ausdrücken.
Interagieren
= aufeinander bezogen handeln
Das Interagieren kann allein durch einen nach vorn gerichteten Jugendkreis nicht funktionieren. Wir sind nicht in der Schule. Natürlich sind klare Ansagen und auch Leitung wichtig. Außerdem ist zur Interaktion aber auch das Auseinandersetzen mit dem Anderen wichtig. So lernen wir miteinander umzugehen und unseren Charakter zu formen. Hierbei können Gruppenarbeiten oder Diskussionsthemen, aber auch gemeinsame Aufgaben wie Renovieren im Jugendraum oder Adventssingen bei älteren Geschwistern eine Hilfe sein.
Als Mitarbeiter im Reich Gottes bleiben wir in einem Lernprozess – in welcher Stellung auch immer wir uns gerade befinden. Wir können Jesus als Vorbild nehmen, um den hingegebenen Dienst zu verstehen und so das Dienen an uns Anvertrauten zu lernen:
„Ich bin der gute Hirte, und ich kenne die meinen, und die Meinen kennen mich, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne, und ich lasse mein Leben für die Schafe.“ (Johannes 10,14-15)