Wie man (nicht) über Whatsapp kommuniziert
Fast jeder Teenager hat WhatsApp. Doch viele wissen nicht um die Folgen eines falschen Umgangs mit WhatsApp. Dieser Artikel möchte auf die Gefahren von Kommunikation mit WhatsApp hinweisen und Tipps für einen gesunden Umgang geben.
Ich war etwa 14-15 Jahre alt. In der Blütezeit meiner Pubertät und fasziniert davon andere Menschen – vornehmlich weiblichen Geschlechts – kennenzulernen. Wie auch immer bekam ich die Nummer von einem Mädchen, das nicht in meiner Stufe war. Wir hatten noch nie miteinander geredet. Aber wir fingen an zu schreiben. Und wir schrieben viel. Sehr viel. Es entwickelte sich tatsächlich so etwas wie eine richtige Freundschaft. Insgeheim hoffte ich natürlich, dass ihr Interesse an mir nicht nur rein platonischer Natur war. Aber das, was wir hatten gefiel mir. Mit der Zeit öffnete man sich immer mehr dem anderen und irgendwann vertraute man sich so ziemlich alles an, was einen so beschäftigte. Das absolut Verrückte: Wir sahen uns nie privat und sprachen auch in der Schule nicht miteinander. Wir waren wie anonyme beste Freunde. Wir schickten uns sogar Geburtstagsgeschenke per Post. Doch als ich sie einmal persönlich traf, war ich wie gelähmt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Begegnung war mir so unangenehm, dass ich versuchte so schnell wie es nur ging aus dieser persönlichen Konfrontation zu fliehen. Du denkst wahrscheinlich gerade darüber nach, was für ein komischer Kauz ich gewesen bin. Ja das war ich vielleicht. Aber ich denke, dass viele unserer Jugendlichen heute so Freundschaften oder sogar Beziehungen leben. Wir sind so digitalisiert, dass wir verlernt haben, direkt miteinander zu kommunizieren.
Warum Kommunikation über Whatsapp eine Gefahr darstellt
Sozialkompetenz geht verloren und Sozialphobien können entstehen
Einer Studie zur Folge leiden ca. 17%, also fast jeder fünfte Jugendliche im Alter von 14-20 Jahren unter einer Telefonphobie, was eine Art Sozialphobie darstellt. Dabei sind die Personen nicht in der Lage am Telefon mit anderen zu sprechen. Müssen sie dies tun können Symptome wie Erröten, Zittern, Stottern, Angst vor Erbrechen oder Einnässen auftreten. Eine andere Folge von übermäßigen Kontakten über Whatsapp kann sein, dass Jugendliche verlernen normal und angemessen mit anderen zu interagieren. So wie ich damals nicht in der Lage war, mit dem Mädchen persönlich zu sprechen, so wird es für Jugendliche immer schwerer persönliche Begegnungen zu meistern. Betrachtes man diese Entwicklung aus soziologischer Perspektive stellt dies eine große Gefahr dar, da man sich immer weiter voneinander entfremdet, selbst wenn man das Gefühl hat emotional eng mit einander verbunden zu sein.
Missverständnisse und Streitigkeiten sind vorprogrammiert
Hinzukommt kommt die Tatsache, dass 90% der Kommunikationsmuster wie Mimik, Gestik oder Betonung bei der schriftlichen Kommunikation verloren gehen. Diese sind essentiell wichtig für ein richtiges Verstehen des Gesagten. Somit ist nicht nur die Sozialkompetenz an sich gefährdet, sondern es besteht ein erhöhtes Risiko für Missverständnisse in der Kommunikation. Wenn ich an meine Whatsapp-Freundschaft zurückdenke, dann erinnere ich mich an nicht viel, außer daran, dass wir uns irgendwann immer häufiger gestritten haben. Das lag höchstwahrscheinlich daran, dass wir ausschließlich über Whatsapp kommunizierten. Man interpretierte das Geschriebene und reagierte entsprechend darauf. Der andere wiederum tat dasselbe. Jedem Erwachsenen ist wahrscheinlich klar, dass eine solche Kommunikation nur sehr selten gewinnbringend sein kann. Aber Jugendliche haben diese Weitsicht oft nicht und sollten daher dafür sensibilisiert werden.
Es gibt weniger Hemmungen
Es ist viel leichter sich einem Menschen emotional zu öffnen, wenn man dabei alleine in seinem Zimmer sitzt, als wenn man einer Person Face to Face gegenübersitzt. Das ist gefährlich. Abgesehen davon, dass ich nun als erwachsener Mensch glaube, dass es so enge Freundschaften zwischen Jungs und Mädchen (im Teenie-Alter) weder über Whatsapp noch in Reallife geben sollte, habe ich gemerkt, wie schnell man sich einer anderen Person öffnet und sogar emotional bindet, wenn man schriftlich miteinander kommuniziert, weil die Hemmschwelle einfach viel geringer ist. Das gilt in zweifacher Hinsicht: Das gilt generell, wenn man sich einer Person öffnet, was man fühlt und denkt. Das gilt aber auch beim Thema Sexualität. In einer Schweizer Studie wurde herausgefunden, dass ein Viertel (25%) der Jugendlichen schon Mal Sexting-Inhalte (Texte oder Bilder mit sexuellem Inhalt) verschickt haben. Auch hier ist klar, dass es wesentlich einfacher ist über Whatsapp Fantatasien auszutauschen, als im persönlichen Gespräch. Es klingt fast absurd, dass sich zwei Jugendliche gegenübersitzen und sich über sexuelle Fantasien mit dem anderen unterhalten. Das passiert wahrscheinlich nur sehr selten. Doch Whatsapp ermöglicht solche Konversationen, ohne große Hemmungen überwinden zu müssen.
Ein gesunder Umgang mit Whatsapp und co.
Setze auf persönliche Gespräche, wenn es drauf ankommt
Generell würde ich raten im Jugendalter primär Freundschaften zu gleichgeschlechtlichen Personen zu suchen. Das ist gar nicht einfach, wenn jeder in deinem Umfeld plötzlich eine Freundin hat oder deine beste Freundin erzählt, wie unsterblich verliebt sie in den Jungen ist, mit dem sie seit 2 Monaten bei Whatsapp schreibt. Trotzdem rate ich dir, im Teenageralter deine Kontakte zu Personen des anderen Geschlechts zu reduzieren und tiefe Freundschaften zu Freunden gleichen Geschlechts zu suchen. Ich bin mit meinem besten Freund seit der 8. Klasse befreundet und wir haben schon richtig viel miteinander durchgemacht. Gutes aber auch richtig Schwieriges. Wir haben eigentlich nie auf Whatsapp miteinander geschrieben. Wir haben uns getroffen und miteinander geredet. Einmal haben wir uns so sehr gestritten, dass ich nachts mit meinem 50er Roller nach Hause gefahren bin, obwohl ich bei ihm schlafen wollte. Das war sicherlich nicht die beste Idee. Aber wir haben uns kurze Zeit später getroffen und haben darüber geredet. So richtig. Und das war gut. Es hat etwas gedauert, bis wir wieder Vertrauen zueinander aufgebaut haben, aber das hat nur funktioniert, weil wir richtig geredet haben, anstatt einander Whatsapp Nachrichten zu schreiben. Heute stehen wir uns näher, als je zu vor. Wir haben uns zur Gewohnheit gemacht, alles wichtige persönlich zu besprechen. Niemals über Whatsapp. Es hat sich gelohnt in eine Freundschaft zu jemanden zu investieren, der auch ein Junge war wie ich. Ich kann nicht beschreiben, wie dankbar ich heute für diese Freundschaft bin.
Whatsapp ist gut, um Bescheid zu sagen, dass ich mich 5 Minuten verspäte, nicht um einen Streit zu klären.
Wir brauchen Freundschaften zu Menschen mit dem gleichen Geschlecht, die ein Leben lang halten – Das Fundament kannst du in deiner Jugend legen.
Setze dir klare Grenzen
Es ist einfacher sich einem Menschen emotional über Whatsapp zu öffnen. Das gilt allgemein. Das gilt aber auch für Sexualität. Ich habe keine Kinder und bin wahrscheinlich nicht der Experte für Erziehung, aber ich glaube, dass es sich nicht vermeiden lässt, dass Teenager Kontakt zu anderen Teenagern des anderen Geschlechts suchen. Es ihnen bis zu ihrem 18. Lebensjahr strikt zu verbieten scheint für mich aber nicht die Lösung zu sein. Eltern haben eine große Verantwortung für ihre Kinder und es ist wichtig ihnen Grenzen zu setzen. Besonders im jungen Teenager-Alter. Aber fast jeder Teenager weiß, wie er Grenzen umgehen kann. Das sollten Eltern wissen. Deshalb ist es wichtig, umsichtig zu handeln. Für Eltern bedeutet das, ihren Teenagern zuzugestehen, Teenager zu sein. Sich in einem von den Eltern gewähltem Rahmen entfalten und ausprobieren zu können. Ich glaube damit gewinnen wir Teenager.
Wenn du selbst ein Teenager bist, dann möchte ich dir sagen: ich verstehe deinen Wunsch und die Verlockung ist groß, alles ausprobieren zu wollen, was die anderen auch machen. Es ist normal, dass wir uns irgendwann danach sehnen, einen Menschen kennenzulernen, der das andere Geschlecht hat. Die Gefahr dabei ist, dass du dein Herz nachhaltig kaputt machst und Dinge tust, die du Jahre später tief bereust, wenn einfach draufloslebst. Ich habe als Teenager leider oft keine klaren Grenzen gesetzt und habe Dinge getan, für die ich mich wirklich schäme – die mich geprägt haben. Ich wünschte ich hätte jemand gehabt, der mich gewarnt hätte. Nicht meine Eltern. Von denen lässt man sich in der Zeit ungerne etwas sagen. Ich hätte mir jemand gewünscht, der noch nah an mir dran ist und trotzdem etwas mehr Erfahrung hat, um mir zu zeigen, welche Folgen es hat, keine klaren Grenzen beim Schreiben mit jemanden des anderen Geschlechts zu ziehen. Lass mich dieser jemand für dich sein. Sprich mit jemanden, dem du vertraust und überlegt welche Grenzen du setzen solltest und wie du das praktisch tun kannst. Wenn du so viel Vertrauen zu deinen Eltern hast, dann sprich auch gerne mit ihnen. Distanziere dich von Menschen die, die deine Grenzen nicht respektieren und pass auf dein Herz auf.
Whatsapp macht es einfach dein Herz zu erwärmen – und es zu zerstören.