Ist Gott heilig oder Liebe?
Diese Bibelarbeit soll zeigen, wie die Heiligkeit und die Liebe Gottes eine untrennbare Einheit bilden.
1. Worum geht’s?
Beim Wort heilig denken sicher viele an den Ausdruck „heiliger Krieg“. Ist der heilige Gott gewalttätig? Was meint überhaupt „heilig“? Es meint Gottes Eifer um die eigene Ehre (z.B. 2. Mose 20,2). Gottes Heiligkeit verfolgt den Sünder und verändert positiv den Glaubenden. Kein Mensch ist nur annähernd heilig genug, um Gott zu begegnen. Trotzdem dürfen wir uns mit all unserer Sünde an Gott als unseren liebenden Vater wenden. Wie passen diese beiden Seiten Gottes zusammen? Wenn Gott nicht mehr heilig ist und den Sünder zur Rechenschaft zieht, fallen schützende Schranken für das menschliche Handeln. Und was täten wir als sündige Menschen ohne Gottes Liebe? Alles müsste in Angst oder Gesetzlichkeit erstarren. Egal welche Seite Gottes wir ausblenden, am Ende würde der Schrecken stehen, Schrecken vor einer willkürlichen Herrschaft des menschlichen Egos oder vor einem unnahbaren Gott. Es ist nicht einfach, beide Seiten Gottes im Blick zu haben. In manchen Gemeinden wird zuweilen mehr die Liebe Gottes betont; seine Heiligkeit und damit auch Heiligung bei uns, kommt eher kurz weg. In anderen Gemeinden gibt es mehr den Hang zur Gesetzlichkeit. Wer bestimmte Verhaltensweisen nicht beachtet wird abgestraft. Das Problem liegt darin, dass wir oft nicht merken, wenn unser Gottesbild einseitig ist.
2. Mit wem haben wir’s zu tun?
Da stößt man beim Bibellesen auf einen heiligen Gott, der Sünde bestraft und vor dem sogar gläubige Menschen um ihr Leben fürchteten. Und dann stößt man wieder auf einen Gott, der uns liebt und uns gerne vergibt, auch wenn wir noch so sehr gesündigt haben. Wie passen diese beiden Seiten zusammen? Sollte man eine Seite mehr beachten als die andere? Wenn man die Heiligkeit Gottes allein betont, dann ist Gott unnahbar, streng und ich bin nie gut genug für ihn. Betone ich allein die Liebe Gottes, dann ergeben sich nahezu grenzenlose Freiheiten für mein Leben. Es gibt keinen Grund, Gott zu fürchten. Seine Liebe deckt alles zu. Das Leben macht Spaß und Gott ist dafür da, dass es noch mehr Spaß macht. So, wie ich mir Gott vorstelle, so sieht mein Leben als Christ aus. Streng, sehr locker, fröhlich, tiefgründig, angstvoll, völlig lässig oder voll tiefer Liebe zu Gott. Und so wie dein Bild von Gott ist, so wird später auch einmal dein Familienleben aussehen. Es lohnt sich also, über das Wesen Gottes nachzudenken.
3. Worauf wollen wir hinaus?
Ziel soll sein, Heiligkeit und Liebe als wesentliche Eigenschaften Gottes zu verstehen, die zwar gegensätzlich scheinen, aber trotzdem zusammengehören und die wir Christen nicht gegeneinander ausspielen dürfen. Je nachdem wie ich mit diesen Eigenschaften umgehe, bekommt mein Leben als Christ eine unterschiedliche Richtung. Diese Bibelarbeit soll helfen, den Zusammenhang von unterschiedlichen Gottesbildern und praktischem Christsein zu erkennen.
4. Wie gehen wir vor?
4.1 Einstieg
Denkt kurz über folgende Frage nach: Was ist an einem Ei wichtiger, die Schale, das Eiweiß oder das Dotter? Alle drei Bestandteile unterscheiden sich grundlegend. Trotzdem ist das Ei nur Ei, wenn alle drei Teile vorhanden sind. Ohne Schale könnte man es nicht mehr ausbrüten. Heiligkeit und Liebe sind zwei ganz unterschiedliche Seiten Gottes. Und keine darf weggelassen werden. Wir wollen zunächst klären, was heilig überhaupt bedeutet. Dann wollen wir darüber nachdenken, wie die Heiligkeit und die Liebe Gottes zusammengehören und was das für praktische Auswirkungen auf unser Leben hat.
4.2 Hauptteil
4.2.1 Was ist heilig?
„Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt habe. Du sollst keine andern Götter haben neben mir.“2. Mose 20,2
Wir befinden uns am Anfang der 10 Gebote. Sprecht einmal darüber, wie Gott sich selbst hier vorstellt. Wörtlich heißt es: „Ich bin JHWH, dein Gott, …“ Ist das nicht ein unverschämter Anspruch, den Gott erhebt? Er versteht sich als „dein Gott“, d.h. als dein persönlicher Gott. Und dein einziger Gott. Und ganz unverblümt und ohne Entschuldigung sagt er das so direkt und frei heraus. Und das in einer Welt, in der jedes Land seine eigenen Götter hatte. Nicht nur, dass der Herr Gott sein will, er will es auch völlig allein sein.
Wenn ihr darüber gesprochen habt, wie sich Gott vorstellt, dann fragt gleich weiter, was dann wohl die grundlegendste Sünde für uns Menschen ist. Die größte Sünde, die du begehen kannst, ist, irgendjemandem oder irgendetwas den Vorzug vor Gott zu geben. Gott will absolut den ersten Platz in deinem Leben. Als die Israeliten Kanaan erobert hatten und ihr Anführer Josua sein Amt niederlegte, ging es ihm um eine Frage: Wem wollt ihr dienen? Josuas Antwort lesen wir in manchen christlichen Häusern schön in Holz geschnitzt: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen!“ (Josua 24,15) Das war eine klare Absage an den Trott der Zeit, den Göttern zu vertrauen, an die man im jeweiligen Land eben gerade glaubte. Und es war ein klares Bekenntnis zu einem Gott, dessen heilige Eifersucht Josua kannte.
Egal, was um dich herum läuft, Gott will den ersten Platz. Seine Heiligkeit duldet es nicht, an zweite Stelle gerückt zu werden.
Wenn du gerade deine Zeit planst, wenn es um dein Geld geht oder um dein Verhalten in der Schule, Gott will an der ersten Stelle stehen. Gott erhebt einen unvorstellbaren Anspruch, an dem jeder Mensch scheitern muss. Zu denken, ich habe nicht gestohlen und nicht gelogen, deshalb muss Gott mit mir zufrieden sein, ist völlig falsch. Zur Heiligkeit Gottes passen wir nur dann, wenn er in unserem Leben immer den ersten Platz hat.
Wie aber passt diese fordernde Heiligkeit Gottes mit seiner Liebe zusammen, die uns heute oft viel mehr vertraut ist? Gott ist Liebe, so lesen wir in 1. Johannes 4,8. Deckt Liebe nicht alles zu, auch die Sünde? Wir singen z.B.: „Vater, ich komme jetzt zu dir, als dein Kind lauf ́ ich in deine Arme?“ Wie können wir einen heiligen Gott, der den Sünder verfolgt, als liebenden Vater besingen?
4.2.2 Die Liebe Gottes, Geschenk an uns
Als Gott seinem Volk die Zehn Gebote gab, erinnerte er auch an die Rettung aus Ägypten. Zunächst fragen wir uns einmal, wofür Ägypten stand? Ägypten war ein reiches Land, schon Abraham war wegen einer Hungersnot dorthin geflohen. Zu essen gab es dort reichlich, aber genauso auch Probleme. Israel wurde dort versklavt. Und weil die Ägypter das wachsende Volk Israel fürchteten, erhöhte man ihre Arbeitsnorm und ließ schließlich alle männlichen Neugeborenen töten. Ägypten bedeutete reichlich Essen, aber ebenso auch Geschrei, Antreiber und Schmerzen (2. Mose 3,4). Und aus dieser Sklaverei befreite Gott sein Volk.
Wir fragen weiter: Wohin wollte Gott sein Volk bringen? Natürlich nach Kanaan. Es sollte ihr eigenes Land werden, es war ein gutes, reiches Land (2. Mose 3,8). Aus besitzlosen und rechtlosen Sklaven sollte ein freies Volk werden, das ein eigenes Land besaß. Und das reicht Gott noch nicht, sondern er will durch sein Volk die ganze Welt segnen (1. Mose 12,3). Israel soll Identität, Ziel und Zukunft haben. War diese Aussicht nicht zu schön, um wahr zu sein? Gab es eigentlich Gründe, warum Gott gerade dieses Volk rettete? Hatte es weniger als andere Völker gesün digt? Hat es sich den Weg in die Freiheit verdient? Wir lesen nichts davon. Wie lernen wir Gott hier kennen? Er rettet ein Volk aus der Sklaverei, führt es in die Freiheit, schenkt ihnen ein eigenes Land, und zwar ohne, dass sie es sich verdient hatten. Gott liebt sein Volk nicht erst, nachdem es eine bestimmte Leistung erbracht hätte, sondern schon deshalb, weil es da ist. Gott liebt uns, ohne dass wir perfekt sind. Und als die Israeliten in Kanaan den HERRN schnell vergaßen und anderen Göttern glaubten? Die Liebe Gottes zu seinem Volk blieb. Er versuchte durch sein Eingreifen Israel zur Einsicht zu bewegen. Sünde zieht Probleme nach sich, aber sie hindert Gott nicht, uns zu lieben und unser Bestes zu suchen.
Sünde ist ein absolutes „No Go“ für Gott, aber sie hindert ihn nicht, uns zu lieben und unser Bestes zu suchen.
4.2.3 Wir müssen beide Seiten Gottes beachten
Wer Gottes Liebe in Anspruch nimmt, muss auch seine Heiligkeit respektieren. Beide Seiten Gottes bildeten Leitplanken, die es Israel ermöglichen sollten, einen guten Weg zu gehen. Wir stehen in der Gefahr, ein einseitiges Gottesbild zu zeichnen. Das geschieht manchmal nur tendenziell und meist, ohne es zu merken. Oder man sagt ganz offen: „Gott ist Liebe. Die Rede vom Gericht Gottes gehört ins finstere Alte Testament und muss in der Gemeinde heute längst überwunden sein.“
Sprecht einmal darüber, welche Folgen es hat, nur die Heiligkeit oder nur die Liebe Gottes zu betonen.
4.2.4 Im Kreuz verbinden sich Gottes Heiligkeit und Liebe
Römer 3,23-25„Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. Ihn hat Gott hingestellt als einen Sühneort durch den Glauben an sein Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes.“
In Vers 23 lesen wir das ernüchternde Urteil: „Denn alle haben gesündigt…“ Aber Gottes Liebe deckt doch alles zu! Also ist es mit der Heiligkeit gar nicht so schlimm. Wenn die Liebe ins Spiel gebracht wird, verflüchtigt sich die Heiligkeit Gottes? Wir denken einmal über das unscheinbare Wort „Gnade“ nach (V. 24). Hinter diesem Wort steckt viel mehr, als wir weithin vermuten. Ein Verbrecher wird von der Regierung begnadigt. Was genau tut die Regierung in diesem Fall? Sie verzichtet auf die Strafe, die das Gesetz fordert. Verzichtet Gott auf die geforderte Strafe für die Sünde? Wir lesen dazu Römer 3,25. Sühne bedeutet, dass für eine Schuld bezahlt wird. Jesus am Kreuz, das ist der Ort der Sühne, an dem meine Sünde bezahlt wird. Gott verzichtet nicht auf die Strafe, sondern sein Sohn nimmt sie auf sich. Gibt Gott im NT seine Heiligkeit preis? Nein! Für Sünde muss bezahlt werden. Nur bezahle nicht ich, der Sünder, sondern Jesus Christus, der Unschuldige hat sie bezahlt. Das Kreuz zeigt die volle Heiligkeit Gottes. Gott drückt kein Auge zu. Seine Forderung bleibt hundertprozentig bestehen. Und das Kreuz als blutiges Folterinstrument zeigt, wie schwer Sünde wiegt und welche Last dem genommen wird, der Gottes Gnade in Anspruch nimmt.
Das Kreuz zeigt auf der einen Seite die volle Heiligkeit Gottes. Auf der anderen Seite zeigt es ebenso seine bedingungslose Liebe.
Und das Kreuz zeigt die volle Liebe Gottes. Jesus Christus, der Sohn Gottes, opfert sich selbst, damit die Heiligkeit Gottes mit ihrer Wucht nicht den Sünder trifft. Ich darf aufatmen! Am Kreuz vereinen sich Gottes Liebe und seine Heiligkeit. Das ist Gnade. Meine Rechnung ist nicht unter den Tisch gefallen, sondern bezahlt. Sich mit Sünde nicht zu Gott zu trauen wäre völlig falsch. Sei offen und ehrlich vor Gott. Deine Sünde wird den heiligen Gott nicht hindern, weiter mit dir zu arbeiten. Sprecht einmal darüber, welche Seite Gottes euch mehr vertraut ist? Wenn ihr an Gott denkt, welche Eigenschaften fallen euch ein? Eine Möglichkeit ist auch, einmal euer Liedgut durchzuschauen. Welche Seite Gottes wird dort betont? Oder denkt einmal an eure Gebete. Was betet ihr und welche Eigenschaften Gottes kommen darin zum Ausdruck? Fragt auch weiter, welche Möglichkeiten ihr habt, die eine oder andere Seite Gottes stärker zu betonen. Was würde sich dadurch bei euch praktisch ändern?
4.2.5 Leitplanken auf dem Weg nach vorn
Ich war geneigt zu denken, Gottes Heiligkeit gleicht Schranken, die mich hindern, verbotene Dinge zu tun. Aber das wäre viel zu einseitig. Es geht viel mehr darum, die eigene Bestimmung zu leben, nämlich Gott den ersten Platz zu geben und ewiges Leben zu haben. Gottes Heiligkeit meint einen Weg, den Gott dich führt. Seine Heiligkeit zu missachten heißt, der Sünde freien Lauf lassen und auf Abwege zu kommen. Gottes Liebe bedeutet, Gott will dich, obwohl er deine Fehler kennt. Also kannst du bei Gott ganz offen über dein Versagen sprechen. Aber lass auch zu, dass Gott an dir arbeitet. Die Liebe Gottes macht, dass du ohne Angst mit deinen Sünden zu ihm kommen kannst. Die Heiligkeit macht, dass du vorwärts kommst und nicht mehr auf jede Versuchung hereinfällst. Gottes Liebe ausblenden hieße, du allein mit deinen Fehlern musst für einen heiligen Gott gut genug sein. Das ist Stress. Du verzweifelst, weil du merkst, du kannst dem heiligen Gott nicht genügen. Oder du reduzierst die Heiligkeit Gottes auf bestimmte Gebote oder Verbote, die du eisern hältst und auch anderen aufs Auge drückst. Das ist dann Gesetzlichkeit und bedeutet Stillstand in deinem Leben. Du brauchst beide Seiten Gottes. Seine Liebe, die dich aufatmen lässt, weil Gott dich samt deiner Sünden annimmt und die Heiligkeit Gottes, die dich erschrecken lässt, weil sie deine Unvollkommenheit zeigt. Du sollst dich als Christ nicht mit eigenen Kräften auspowern um endlich für Gott gut genug zu sein. Du sollst aber auch nicht stehen bleiben und denken, alles ist in Butter. Sei dir bewusst, dass Gott dich mit all deinen Ecken und Kanten liebt und gehe die Schritte, die Gott dir zeigt. Und wenn du stolperst, dann gehe den Schritt noch einmal. Denn Gott will mit seiner Heiligkeit und mit seiner Liebe dein Bestes.
5. Was brauchen wir?
Bibel und eine gute Gesprächsführung.
6. Literaturempfehlung
Dieses Thema kann in einer Stunde nur sehr knapp skizziert werden. Es ist gut, zur Vorbereitung einige Artikel in Lexika zu lesen. Hilfreich ist ein Artikel aus der Zeitschrift „Bibel und Gemeinde“ von Prof. Dr. Gottfried Schröter, Nr. 1, Jg. 2007, http://bibelbund.de/pdf/bug/2007-1.pdf, ferner auch ein Kommentar zu Römer 3.