Wer lernen will, muss selber reden
Jugendliche lernen durch die Auseinandersetzung mit einer Information oder einem Gegenstand. Deshalb sind Gespräche und Diskussionen unverzichtbare Bestandteile der Gruppenstunde.
Als Student saß ich in vielen Seminaren, ohne jemals den Mund aufzumachen. Manchmal hatte ich das Gefühl, an anderen Stellen so viel reden zu müssen, dass ich hier lieber schwieg. Manchmal fühlte ich mich im betreffenden Fachgebiet unsicher und wollte mir keine Blöße geben. Und immer gab es genügend andere Kommilitonen, die sich bei jedem Thema zu Wort meldeten. Außerdem war es bequemer zuzuhören und sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Es dauerte eine Weile, ehe ich begriff: Es liegt eine große Chance darin sich zu Wort zu melden um die eigenen Gedanken zu äußern und Fragen zu stellen. Denn wenn ich mich am Gespräch beteilige, muss ich mir zuvor überlegen, was ich sagen will. Ich muss es so formulieren, dass andere es nachvollziehen können. Und indem ich einen Gedanken laut ausspreche, beziehe ich Stellung. Ich gebe etwas von mir preis und mache mich dadurch angreifbar. Man kann mich bestätigen aber auch hinterfragen, vielleicht sogar widerlegen. Das kann unangenehm sein, aber es bringt mich weiter. Zugleich besteht auch die Chance, dass andere durch meinen Beitrag angeregt, bestätigt oder hinterfragt werden. Und indem ich einen Gedanken laut ausspreche, beziehe ich Stellung Und das bringt sie weiter.
Auf die Frage, wie ein Mensch dazu kommt etwas zu lernen, antworten die Pädagogen Jochen und Monika Grell deshalb mit einer kurzen Formel:
Information + Auseinandersetzung mit der Information = Lernen
Bei Predigten und Referaten steht die Information im Vordergrund. Eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt bleibt dem Hörer überlassen. Je nach Intelligenz, Interesse und körperlicher Verfassung findet sie statt – oder nicht. Ein guter Referent setzt sich stellvertretend für seine Zuhörer mit dem Bibeltext auseinander. Gemeinsam mit der Wirkung des Heiligen Geistes kann es da durchaus zu Lerneffekten kommen, bis hin zu Lebensveränderungen. Bei einer Bibelarbeit in der Teenager- oder Jugendgruppe setzen sich die Jugendlichen aktiv mit dem Bibeltext auseinander. Darin liegt der große Vorteil (und zugleich die Herausforderung). Ein unverzichtbarer Bestandteil sind dabei Gespräche und Diskussionen. Hier werden verschiedene Meinungen, Vermutungen, Sichtweisen und Erfahrungen ausgetauscht.
Zugegeben, in einem Gespräch öffnet man den bis dahin geschlossenen Gedankengang seiner Vorbereitung und gibt das Heft ein Stück weit aus der Hand. Man ist angewiesen auf die (hoffentlich sinnvollen) Beiträge der Jugendlichen. Trotzdem hat der Gesprächsleiter großen Einfluss darauf, ob ein konstruktives Gespräch zu Stande kommt, bei dem sich die Jugendlichen wirklich mit dem Gegenstand auseinandersetzen.
Im Folgenden ein paar Tipps für alle, die im Plenum oder in Kleingruppen mit der Leitung einer Gesprächs- oder Diskussionsrunde betraut sind:
- Das Thema bzw. die Fragestellung des Gesprächs sollte allen klar sein – am besten mit Hilfe von Flipchart, OHP oder Beamer visualisieren.
- Zwischen Redner und Gesprächsleiter besteht ein Unterschied: Der Redner soll reden, der Gesprächsleiter soll das Reden anderer anregen, leiten, lenken und ordnen.
- Der Gesprächsleiter achtet darauf, dass sich das Gespräch um das gestellte Thema dreht.
- Der Gesprächsleiter achtet darauf, dass jeder Teilnehmer die Beiträge akustisch und inhaltlich verstehen kann. Eventuell fragt er nach und lässt den Redner seinen Beitrag erläutern.
- Vom Gesprächsleiter geht die Bereitschaft des Hörens aus. Er nimmt jeden Gesprächsteilnehmer ernst!
- Die persönliche Meinung des Gesprächsleiters steht nicht im Vordergrund. Diese kann er in anderen Teilen der Bibelarbeit artikulieren. Hier ist er ist eine Art Unparteiischer.
- Der Gesprächsleiter hat nicht die Aufgabe, Beiträge zu zensieren oder langatmig zu wiederholen.
- Der Gesprächsleiter achtet darauf, dass es zu einem Gespräch kommt und nicht zur Aneinanderreihung von Monologen.
- Der Gesprächsleiter darf einzelne auffordern, Stellung zu beziehen.
- Der Gesprächsleiter nimmt jede Wortmeldung mit einem deutlichen Zeichen an.
- Der Gesprächsleiter hält sich an die Reihenfolge der Wortmeldungen. Ausnahmen: notwendige sachliche Klärungen oder Intervention eines Gesprächsteilnehmers, wenn er falsch zitiert oder interpretiert wurde.
- Im Schlusswort sagt der Gesprächsleiter nichts Neues mehr. Er fasst das gemeinsam Erarbeitete zusammen und verschweigt Differenzen nicht.
- Der Gesprächsleiter behandelt jeden Gesprächsteilnehmer individuell. Er ermutigt und wird damit „Geburts-helfer“ wertvoller eigener Gedanken.
An diesen Regeln wird auch deutlich, dass eine Teen- oder Jugendstunde nicht nur aus Gespräch bestehen kann. Es wird einen Input des Bibelarbeitsleiters („Information“) geben müssen, an dessen Ende eine klare Botschaft steht.
Trotzdem sollte man das Potential des freien Gesprächs nicht unterschätzen. Denn das Wichtigste ist nicht (nur), dass sich die Jugendlichen die Worte des Leiters oder Mitarbeiters einprägen, sondern dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen und einen eigenen (hoffentlich biblischen) Standpunkt ausprägen.