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Leid

Was (um Himmels Willen) hat Gott mit mir vor?

Auf seine eigene Art zeigt Herbert Bedenbender uns auf, woran wir leiden und wie Gott in all dem Chaos doch noch vorkommt.

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26. Juni 2013
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7 min

In welchem Zustand geistiger Umnachtung habe ich bloß zugesagt, diesen Artikel zu schreiben? „Leiden – und was Gott mir dadurch sagen will“. Jetzt sitze ich hier und leide – bis er hoffentlich auf dem Papier steht und dem entspricht, was das Thema betrifft.

Ich stelle mir bei diesem „leidigen Thema“ zunächst vor, dass ich vielleicht einen lieben Menschen verliere und mir dann auch noch den Kopf zerbrechen muss, was Gott mir wohl damit sagen will… Mein sicher vorhandenes Weinen würde sich in Schreien verwandeln. Und dem Menschen, der mir diese Frage anträgt, würde es dabei sicher nicht gut gehen… Weil ich wohl Kleinholz aus ihm machen würde, zumindest verbal. Ich will damit sagen: es gibt Momente, in denen ist die Frage nach dem Warum, Wieso und Weshalb einfach nur tabu, falsch und unangemessen. Wer sie fälschlich stellt, begeht in solchen Situationen einen unsagbaren Fehler, handelt grob und unsensibel.

Woran können wir als Menschen leiden. Es geht doch nicht nur um den Verlust von lieben Menschen. Das ist sicher eine der schwersten „Leidensprüfungen“. Es geht doch im täglichen Leben um die schwierigen Seiten, die jeder irgendwie erlebt. Das Leiden am Beruf, Leiden an Kollegen, Leiden an Perfektionismus, Leiden an sich selbst durch Vergleichen mit anderen, Leiden an der Tatsache, dass jemand alleine ist und sich dringend einen Partner wünscht – der aber ausbleibt. Leiden an und in der Ehe, an den dazugehörigen schweren Zeiten, vor denen Paulus schon warnt… Leiden an der Tatsache, dass das Leben an sich zu schwer zu sein scheint, mit dem dazugehörigen Feeling einer mehr oder minder schweren Depression. Oder auch das Leiden an einer Behinderung, an einer jener Krankheiten, die man sich und noch nicht mal seinen Feinden wünscht.

Eines ist sicher: Leiden wird jeder – jeder bekommt seine „Chance“

Buddha hatte seine eigene Philosophie im Umgang mit dem Leiden:

„Leiden kommt aus Wünschen, die ich habe.“

Dennoch, manches Leiden ist tatsächlich korrigierbar, manches sogar vermeidbar. Wenn ich wirklich den Ursachen auf den Grund gehe: Falsche Wünsche, Pläne oder (schwer- oder unerreichbare) Ziele im Leben produzieren einen notorischen Zustand der Unzufriedenheit, der dann bis in die Depression, bis ins Leiden führen kann.

Paulus hat seinen eigenen Lösungsweg: Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern begnügt euch mit dem, was ihr habt. Ein Gespräch mit „bescheiden lebenden Menschen“ kann Wunder wirken und unnötige Leiden erheblich reduzieren. Denn an diesem Punkt ist es sicher gut, das Leben zu durchforsten nach falschen Plänen, Wünschen und Zielen. Um eine verblüffende Zufriedenheit zu erreichen. Um auszubrechen aus dem Diktat der Zeit. Die Jagd, Zufriedenheit und Glück durch materielle Dinge, den noch schöneren Urlaub, oder Karriere zu erreichen, ist eine Endlosjagd. Und da gibt es eine gute Nachricht: Diese Art Leiden lässt sich abschütteln: Durch genau jenen Rat, den Paulus gibt. Eine bewusste und gewollte Zufriedenheit mit dem, was da ist. Also keine falschen Ziele für die eigene Karriere oder das eigene Budget, für den allerneuesten elektronischen Eiertopf. Durch den Run auf das Neueste vom Neuen lassen viele (egal ob fromm oder nicht) sich so manches „faule Ei“ ins Nest legen. Und wundern sich dann, dass sie irgendwie falsch verbunden sind oder an den Folgekosten leiden. Leider, so scheint mir, fehlt vielen an diesem Punkt die Orientierung. Ein Gespräch mit „bescheiden lebenden Menschen“ kann Wunder wirken und unnötige Leiden erheblich reduzieren. Denn an diesem Punkt ist es sicher gut, das Leben zu durchforsten nach falschen Plänen, Wünschen und Zielen. Um eine verblüffende Zufriedenheit zu erreichen. Um auszubrechen aus dem Diktat der Zeit.

Paulus unterscheidet sich übrigens sehr von Buddha: Buddha führt, konsequent zu Ende gedacht, in den Stumpfsinn, ins Nichts, ins nichts mehr wollen. Paulus führt die Kinder Gottes dagegen in die richtige Richtung, in die richtige Sinnerfüllung. In eine echte Zufriedenheit, die den Genuss dessen einschließt, was Gott uns an guten Dingen schenkt.

Doch neben diesen, fast banal klingenden, leidigen Themen, gibt es Situationen, die ans „Eingemachte“ gehen. Ich denke an Hiob, an seine Freunde, die das unglaubliche Leiden, die unfassbaren Schicksalsschläge ihres „Freundes“ unbedingt mit der Schuldfrage verknüpfen wollen. Da wird Leid multipliziert mit dem Faktor menschlicher Einfältigkeit. Und das alles auf dem Rücken frommer Argumente, mit Bibelversen, die an anderer Stelle vielleicht sogar angebracht sind – hier aber nicht. Ich stelle mir solch eine Situation lieber nicht vor: Mitten im Verlust eines lieben Menschen (und das haben wir in der Familie und im Freundeskreis hautnah erlebt), kommen andere und stellen eine solch verletzende Frage! Ich verstehe nicht, warum Hiob argumentiert, anstatt seine Freunde mit letzter Kraft umzubringen. Er hatte nicht mehr viel zu verlieren, bis auf seine ihn auch noch nervende Frau… Es gibt also jene Situationen, in denen ist alles Reden wie schlechter Mist – auf dem nur noch Unkraut wächst. Da wirkt alles nur noch verletzend, da machen Fragen und Worte alles nur noch schlimmer.

Akuten oder chronischen Ungehorsam entlarven

Und doch gibt es laut biblischem Befund auch Situationen, in denen Menschen unnötig leiden. Warum? Indem sie eine „falsche Frömmigkeit“ an den Tag legten! Sie wollten entweder frömmer sein als Gott das will, oder waren in ihrem „Frommsein“ auf sich selbst fixiert. Sie haben Dinge getan, die sie nicht hätten tun sollen oder dürfen. Und das hatte Konsequenzen: Im Alten Testament ist Saul solch ein Vertreter. Er hat sich an Heiligem vergriffen. Selbst geopfert, obwohl dies Samuels Aufgabe war. Als Folge davon war er „Gott los“ = gottlos – und das ist ihm nicht gut bekommen. Das hat ihn sogar in einen zu frühen Tod geführt.

Im Neuen Testament haben die Korinther sich äußerst unangemessen verhalten. Sie haben aus dem Abendmahl eine Orgie gemacht und sind rücksichtslos miteinander umgegangen. Das hatte ähnliche Folgen: Deshalb, so Paulus, sind einige von euch krank und andere sind tatsächlich aufgrund ihres Verhaltens gestorben! (Übrigens, Paulus erwartet nicht die Sündlosigkeit als Voraussetzung zum Abendmahl. Er erwartet eine saubere Motivation im Umgang miteinander. Auch schaffen wir selbst nicht die entsprechend würdige Lebensführung. Es ist Gott, der uns dafür würdig macht.)

Es macht tatsächlich Sinn, das Leben auf Bereiche zu durchforsten, in denen wir uns Gott gegenüber eine Art akuten, oder auch chronischen Ungehorsam leisten, wie Saul das tat.

Oder nehmen wir die korinthischen Verhältnisse: Wie ist das, wenn wir uns selbst feiern anstatt Gott. Egal ob im so genannten „Gottesdienst“ oder im persönlichen Leben. Wenn Gott im Mittelpunkt steht, dann ist die Rücksichtnahme aufeinander selbstverständlich. Dann sind die Bedürfnisse des andern genauso wichtig wie die eigenen. Vor allem aber wird es um Gott gehen.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Natürlich werden wir bei allem, was wir tun, Fehler machen und einander verletzen. Aber auf Dauer ein gewisses Maß an „Ungehorsam“ gegen Gott zu pflegen, ist hochgradig gefährlich.

Darüber hinaus gibt es tatsächlich Dinge, in denen Menschen ihr Leiden sehr direkt und konkret mit verursacht haben. Durch „aktives, bewusstes Leben in Sünde“. Da ist Nachfragen bitter nötig. Allerdings soll es hilfreich sein, seelsorgerlich, nicht verdammend und mit ausgefahrenem Zeigefinger. Wenn Menschen an HIV erkranken, dann liegt das nicht selten am Seitensprung, am Ehebruch, an unmoralischem Verhalten. Andere wiederum können absolut nichts dafür, wenn sie von ihrem untreuen Ehepartner infiziert werden, selbst aber sauber gelebt haben. Wir brauchen Antworten, wie wir Menschen Vergebung, Entlastung, auch Heilung nahe bringen können. Ansonsten reihen wir uns in den Club der Freunde Hiobs mit ein.

So eng liegt Schuld und Schicksal beieinander!

Oder denken wir an die vielen Verletzungen, die durch zerbrochene Beziehungen entstehen. Beziehungen, die wie Ehe gelebt wurden, dann aber doch nicht im Hafen derselben mündeten. Denken wir an die Spätfolgen einer Abtreibung, die viele Frauen in eine tiefe Depression stürzt.

Das sind Themen, denen wir nicht mit Schuldzuweisung begegnen, sondern helfen, damit mögliche Schuldfragen geklärt werden. Wir brauchen Antworten, wie wir Menschen Vergebung, Entlastung, auch Heilung nahe bringen können. Ansonsten reihen wir uns in den Club der Freunde Hiobs mit ein.

Neuausrichtung

Friedrich Bodelschwingh und seine Frau verloren 1869 ihre vier Kinder innerhalb von zwei Wochen durch Diphterie. Der Schmerz hat sie unfassbar tief erschüttert, bis zum völligen Haarausfall bei Ida Bodelschwingh. Dennoch (und ich wage das kaum zu schreiben) war dieses unfassbare Ereignis wohl mit ein Grund für eine neue Aufgabe: Ehepaar Bodelschwingh sah die Not der Epilepsiekranken in Deutschland und gründete die Bethel‘schen Anstalten. Anstatt nach dem Verlust in eine noch tiefere Sinnkrise zu fallen, entdeckten sie neue Wege um Gott zu dienen.

Vorsicht: Ich will hier unter keinen Umständen sagen: Warte auf den Hammer im Leben, damit Gott dir einen neuen Lebensinhalt gibt. Aber anstatt nach einem solchen Erlebnis in einer tiefen Krise stecken zu bleiben, scheint es sinnvoll, die Möglichkeiten zu entdecken, die das Leben unter veränderten Vorzeichen vor dem Hintergrund schmerzhaftester Erfahrungen bietet. Um zu sehen, was Gott unter diesen Vorzeichen mit und durch uns tun möchte.

Ich wage an diesem Punkt ein seelsorgerliches Wort auszusprechen: Wer notorisch Gott gegenüber im Ungehorsam lebt, muss sich nicht wundern, wenn Gott uns die Früchte dafür ernten lässt. Im Alten Testament sagt Gott seinem Volk: Seid nicht wie Ross und Esel, die nur durch schmerzhafte Prozesse zu lenken sind (Zaumzeug). Seid vielmehr Menschen, die in guten Zeiten maximal nach dem Willen Gottes fragen und danach leben – um jene Art unnötigen Schmerz zu vermeiden. Indem wir als Menschen das Beste dazu beitragen, damit das Leben schmerzärmer wird. Um ähnlich wie Jabez (2. Chronik 4) zu beten: Weite meine Grenzen (erweitere auch mein Denken über Gott), segne mich, bewahre mich vor Schmerz. Er kannte sich damit aus, denn sein Name bedeutet „schmerzhafte Geburt“. Und Gott gewährte ihm die Bitte!

Ich wünsche mir persönlich und allen Lesern: Maximales Minimalisieren von Schmerzen und Leiden durch ein intensives Leben mit Gott. Und das tiefe Vertrauen: Dass Gott in allen Lebensumständen das Beste für uns im Sinn hat.
Oft sind es erst die Ruinen, die den Blick auf den Himmel frei geben. Viktor E. Frankl