Was ist eigentlich Sucht?
Wenn ich etwas unbedingt haben muss und dafür negative Folgen in Kauf nehme, bin ich süchtig...
Gedankenverloren rührt Sandra in ihrem Kaffee. „Ich versteh das einfach nicht“, murmelt sie. „Dass sich Daniel so verändert hat! Früher war er ein guter Kumpel von mir. Man konnte sich immer gut mit ihm unterhalten. Jetzt sitzt er nur noch vor dem PC und macht irgendwelche komischen Spiele. Er hat total abgenommen. Er wäscht sich nicht mehr. Sein Briefkasten quillt über. Wenn ich ihn besuchen will, macht er mir zwar die Tür auf, setzt sich dann aber sofort wieder an den Computer. Und arbeiten geht er schon lange nicht mehr!“
Wenn man das so liest, wird man unwillkürlich denken: Dieses Verhalten ist doch nicht normal! Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass dieses Verhalten süchtig bzw. abhängig ist. Im Übrigen gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob nun Sucht oder Abhängigkeit der korrekte Begriff ist. Im vorliegenden Artikel möchte ich die beiden Begriffe austauschbar verwenden und ansatzweise einige Fragen zu diesem komplexen Thema beantworten.
Was ist eigentlich Sucht und wovon kann man süchtig werden?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Abhängigkeit „als einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt oder periodisch zuzuführen.“ Mit „entsprechender Substanz“ meint die WHO Suchtstoffe wie Alkohol, Drogen, Nikotin etc. und demzufolge erfasst das von der WHO herausgegebene ICD-10 (International Classifi cation of Diseases, das wichtigste, weltweit anerkannte Diagnoseklassifi kationssystem der Medizin) auch nur die Abhängigkeit von diesen Suchtstoffen als Abhängigkeitssyndrom.
Dennoch gibt es gute Gründe, den Abhängigkeitsbegriff zu erweitern. Viele Defi nitionen unterscheiden zwischen stoffgebundener und nichtstoffgebundener Abhängigkeit, den so genannten Verhaltenssüchten. Hier wird die süchtige Entwicklung nicht durch einen Suchtstoff (Alkohol, Drogen, Nikotin etc.) sondern durch ein stimmungsveränderndes Verhalten hervorgerufen, von dem mit der Zeit eine zunehmende Abhängigkeit besteht. Zu den Verhaltenssüchten zählt man zum Beispiel die oben genannte Computersucht, die Glücksspiel-, Arbeits-, Fernseh-, Sex- oder Kaufsucht, zum Teilauch die Essstörungen.
Die psychologischen Wirkmechanismen sind die gleichen wie bei den stoffgebundenen Abhängigkeiten: Man spürt ein unwiderstehliches Verlangen (engl. „craving“) nach dem Suchtstoff bzw. den süchtigen Verhaltensweisen und erlebt Kontrollverlust, d.h. man ist nicht mehr in der Lage, sein Verhalten so zu kontrollieren, wie man es eigentlich wünscht. Diese eingeschränkte oder fehlende Selbstkontrolle bewirkt, dass man Versuchungssituationen nicht widerstehen kann, obwohl damit negative Auswirkungen verbunden sind. Von dahersteht es im „Überblick“ an der Seite gar nicht mal so ungenau:
Die Konsequenzen sind zum Teil unterschiedlich, zum Teil ähnlich. Allen Abhängigkeiten gemeinsam sind mögliche gesellschaftliche Folgen wie sozialer Rückzug, Verlust des Arbeitsplatzes, finanzieller Ruin und Kriminalität. Die körperlichen Auswirkungen können je nach Abhängigkeit variieren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) defi niert Abhängigkeit „als einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt oder periodisch zuzuführen.“So sind typische Folgen von Essstörungen beispielsweise Unterernährung, Blutarmut, Zahnprobleme, Nierenfehlfunktion oder Menstruationsstörungen. Bei stoffgebundenen Abhängigkeiten können unter anderem Leberkrankheiten, zerstörte Gehirnzellen und Gewebeschäden auftreten. Bei den stoffgebundenen Abhängigkeiten kommt es zusätzlich zu körperlicher Abhängigkeit, während die Verhaltenssüchte psychisch abhängig machen.
Was ist die Ursache von Abhängigkeit?
Eigentlich hat das Wort „Sucht“ gar nichts mit suchen zu tun, zumindest besteht keine sprachliche Verwandtschaft. „Sucht“ geht im Wortstamm auf „siechen“ zurück, also krank sein. Dennoch steht psychologisch hinter der Sucht eine stellvertretende Suche nach Beziehung, Liebe, Glück, Kontakt, Lust, Zufriedenheit usw. „Hinter Sucht verbirgt sich immer Sehnsucht, aber anscheinend kann niemand diese Sehnsucht stillen“ steht im Vorwort von „Franz, Freaks & Friends“, einem Erfahrungsbericht eines Ex-Junkies. Süchtige haben Sehnsucht und versuchen diese Sehnsucht durch ein bestimmtes Verhaltensmuster zu befriedigen. Am Anfang scheint dies auch zu funktionieren. Das Suchtmittel bzw. das Suchtverhalten wird als „Freund“ erlebt. Es ist ein Hilfsmittel, das eine wichtige Funktion erfüllt. Ein junger Mann z.B. ist sehr schüchtern und hat Schwierigkeiten, Kontakte zu knüpfen. Jetzt merkt er, dass er viel lockerer ist, wenn er ein paar Bier getrunken hat. Eine weitere Jugendliche gibt an, dass sie nur durch Alkohol ihre Probleme vergessen könne. Wenn sie nüchtern sei, sei das Leben nicht zuertragen. Im Fall von Daniel aus dem Beispiel können die Spiele Erfolgserlebnisse schaffen, die er im wahren Leben nicht hat. Sie bieten ihm die Möglichkeit, einem unglücklichen Alltag zu entfliehen. Und nachdem man einmal eine positive Erfahrung gemacht hat, wiederholt man sie logischerweise immer wieder. Sucht ist also ein Lernprozess und entsteht schleichend. In Kurzform sieht der Prozessso aus: Erfahrung → Wiederholung → Gewöhnung (Miss brauch). Die Folgen habe ich bereits oben beschrieben.
Wie kann ich nun jemandem helfen, der abhängig bzw. gefährdet ist?
In Anlehnung an Josh McDowells und Bob Hostetlers lesenswertes „Handbuch Jugendseelsorge“ möchte ich in Kurzform einige Punkte nennen:
- Höre zu und versuche zu verstehen!
- Hilf dem Betroffenen, das Problem zu erkennenu nd einzugestehen (z.B. mithilfe des genannten Tests und gezielter offener Fragen)!
- Suche die Ursachen des Problems: Welche Sehnsucht stillt das Suchtmittel / das Suchtverhalten? Welche Bedürfnisse werden befriedigt?
- Ermutige den Betroffenen, sich an Gott zu wenden und Sünde zu bekennen: Sucht ist Sünde. Das hört sich hart an, deshalb lass es mich kurz
erklären: In der Bibel steht Sünde für die Abkehr von Gott: Und in der Sucht steht nicht Gott im Zentrum des Lebens, sondern der Alkohol, Drogen, der PC etc.
- Führe den Betroffenen in eine intensive Beziehung zu Gott. Hier können seine inneren Bedürfnisse gestillt werden und er lernt, sich auf Gottes Stärke zu verlassen, aus seinem Wort zu lernen und Versuchungen zu widerstehen. Die Abhängigkeit von Gott ist die einzige Abhängigkeit, die nicht schadet. Joe Wittrock hat in seinem Erfahrungsbericht „No hope in dope“ geschrieben: „Manche werfen uns vor: ‚Ihr seid noch immer auf einem Trip! Im Grunde habt ihr nur eure Betäubungsmittel gewechselt.’ In gewisser Weise stimmt das sogar. Ja, wir sind abhängig von Jesus. (…) Irgendetwas hält jeden Menschen gefangen, Jesus schenkt dagegen die größte Freiheit, die ein Mensch erlangen kann.“
- Nimm Hilfe von außen in Anspruch bzw. ermutige den Betroffenen, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Dies können Suchtberatungsstellen ebenso wie Fachkliniken sein oder einfach Christen, die sich mit diesem Problem auskennen.