Warum deine Jugendlichen die Bibel nicht studieren sollten
Die Bibel studieren. Das große Ziel für alle unsere Jugendlichen? Timo zeigt eine andere Perspektive.
Okay zugegeben, die Überschrift ist ein Bluff. Es ist etwas wunderbares, wenn Menschen schon früh im Leben anfangen, die Bibel in ihrer Tiefe kennenlernen zu wollen. Aber genau hier liegt ein Problem: Manchmal ist unsere Rede vom „Bibelstudium“ gerade hinderlich, um das zu erreichen. Hier sind drei Gründe, warum deine Jugendlichen die Bibel vielleicht nicht „studieren“ sollten.
1. Der zweite Schritt gehört nicht vor den ersten
Bevor wir einen Gegenstand in seiner Tiefe ergründen können, müssen wir zuerst grundsätzlich und umfassend mit ihm vertraut sein. Ein Student, der den dritten Akt eines Shakespeare Dramas analysieren möchte, ohne jemals das Stück als Ganzes gelesen zu haben ist zum Scheitern verurteilt, bevor er angefangen hat. Wie soll er die Anspielungen auf vorangegangene Geschehnisse entdecken? Woher den Charakter der Figuren kennen, deren Entwicklung er gänzlich verpasst hat? Wie den roten Faden identifizieren?
Und doch sind die meisten Jugendlichen in unseren Jugendgruppen an einem ähnlichen Punkt in ihrem Leben, wie der fiktive Student: Sie werden von uns zum Studium einer Bibel angehalten, die sie noch nie als Ganzes gelesen haben. Kein Wunder, dass uns dann bei unseren Bibelstudiumsversuchen Desinteresse, Verständnisschwierigkeiten, Allgemeinplätze oder sogar totale Selbstüberschätzung begegnen.
Unsere erste Priorität sollte sein, junge Menschen zu leidenschaftlichen Bibellesern zu machen. Ihnen zu zeigen, wie man die Bibel in ihrer chronologischen Reihenfolge und als Ganzes lesen kann. Ihnen helfen, einen Geschmack für Gottes Wort zu entwickeln; ein Gefühl dafür, dass diese Geschichte auch ihre Geschichte ist. Dass sie es hier nicht mit einem trockenen Lehrbuch zu tun haben, sondern mit Gottes Anrede an sie persönlich.
2. Studieren ist nicht alles
Ja, die Bibel lässt sich studieren und dieses Studium ist ein äußerst lohnendes Unterfangen. Aber wenn wir unseren Jugendlichen beibringen, die Bibel vor allem als ein Objekt zur Untersuchung zu verstehen, schicken wir sie vielleicht ungewollt auf eine falsche Fährte. Die Bibel will nicht nur studiert werden. Sie will als persönliche Anrede erfahren werden. Als frohe Botschaft gehört werden. Als Kunstwerk bestaunt werden. Als Geschichte verinnerlicht werden. Als Meditationsgegenstand hin- und her gewälzt und begriffen werden.
Diese Vielseitigkeit und Lebendigkeit der Bibel macht ja gerade ihre Tiefe und Schönheit aus. Gottes Wort ist zu groß, als dass wir es nur als Studienobjekt unter das Mikroskop unseres Verstandes legen könnten. Ein ausgewogener Zugang zur Bibel verbindet die intellektuelle Dimension des Lesens mit den ästhetischen, weisheitlichen, ethischen und relationalen Dimensionen. Wenn wir unseren Jugendlichen die Bibel in dieser Vielseitigkeit vorstellen, geben wir nicht nur den rational veranlagten unter ihnen eine Chance, sie lieb zu gewinnen.
3. Bibelstudium kann abschrecken
In den besten Momenten begreifen Menschen wenn wir von „Bibelstudium“ reden, dass sie selbst einen Zugang zur Bibel finden können. Dass sie von Gott ermächtigt sind, selbst lesen zu dürfen und nicht nur aus zweiter Hand über ihn zu hören. Sie werden motiviert und entwickeln einen Hunger, sich ganz persönlich an die Bibel zu wagen.
Aber manchmal geschieht auch genau das Gegenteil. Manchmal hören junge Menschen „Studium“ und denken an trockene Hausaufgaben. An intellektuelle Höhenflüge, für die sie sich nicht geschaffen fühlen. An abstrakte Theorien, an denen sie kein Interesse haben.
Während einige Jugendliche tatsächlich anfangen können, die Bibel zu studieren, kann es für andere ein genauso großer Gewinn sein, ein Kapitel einer Hörbibel am Tag zu hören. Unser Ziel in der christlichen Jugendarbeit ist, dass junge Menschen dem Gott der Bibel begegnen. Wenn wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, werden wir von ganz allein anfangen, einige zum Studieren, andere zum Lesen, und wieder andere zum Hören zu motivieren.
Gehört der Begriff „Bibelstudium“ auf die Abstellrampe zu anderen alten Insider-Wörtern unserer Gemeindetradition? Nein. Aber es geht ihm deutlich besser, wenn er nicht alleine steht.