Warum Charakter soooo viel wichtiger ist als Kompetenz
In einer Welt, die Leistung und Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellt, erinnert uns dieser Artikel daran, was wirklich zählt: unser Charakter. Der Artikel lädt dazu ein, neu zu entdecken, wie sehr unsere Beziehung zu Gott mit unserem Inneren verbunden ist – und warum Charakterveränderung nicht „nice to have“, sondern zentral für ein glaubwürdiges Christsein ist.
»In the end, it is the person you become, not the things you achieve, that is most important.«
Allgemeines Kopfnicken, so unsere Reaktion auf diesen Weisheits-Drop von Motivationsredner Les Brown. Jaaaaaa klar, Charakter ist wichtig. Sehr wichtig, jajaja.
Aber. Glauben wir das wirklich?
Und falls ja: Warum leben wir das dann nicht? Warum betonen wir überall vor allem Kompetenz?
In der Schule werden deine Fähigkeiten benotet, in der Uni die Qualität deiner Hausarbeit, im Bewerbungsgespräch die Skills, die du ins Unternehmen bringst. Auch in unseren Gemeinden bedienen wir oft primär die Kompetenz-Schiene: Wir machen Workshops über Wie halte ich eine gute Andacht? oder ballern Stunde um Stunde in inhaltliche Kompetenz, analysieren Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Wirken von Obadja und Nahum.
Der Charakter... naja, der soll sich halt irgendwie nebenher entwickeln. Automatisch. Aus Versehen quasi. Privat.
Das klappt so mittel.
Wieder und wieder beobachten wir: Leiter der Kirche scheitern nicht an ihrer Kompetenz, sondern an ihrem Charakter. Und wieder und wieder erleben wir: Um unseren Alltag zu bewältigen fehlt es uns nicht an Skills, sondern an Liebe zu unseren Jugendlichen, an Geduld für schwierige Gemeindeglieder, an Demut in unseren Überzeugungen. Warum halten wir eigentlich keine Predigten über Charakterveränderung? Warum beten wir so viel mehr für die Physik-Klausur als darum, dass die Frucht des Geistes immer mehr unseren Charakter bestimmt? Warum ringen wir um Berufung (“Gott, wo willst du mich haben”) statt der Argumentationslinie in Psalm 25 folgend zu fragen: “Gott, wie willst du mich haben?”
Kann es sein, dass wir im Grunde gar nicht davon überzeugt sind, dass Charakter wichtiger ist als Kompetenz? Kann es sein, dass wir neu entdecken müssen, wie zentral Charakter ist? Kann es sein, dass wir einen neuen Fokus darauf richten müssen, dass Nachfolgen auch Nachahmen bedeutet – nämlich Gottes Wesen? Dass das Ziel von Heiligung mehr ist als Verhaltensänderung – nämlich Charakterveränderung, Veränderung in Sein Ebenbild (vgl. 1. Thess. 4,3)?
Das vergessene göttliche Gebot
In seinem zweiten Brief widmet sich Petrus ausführlich der Frage: Wie sollen wir leben? Ganz am Anfang fordert er uns heraus, aktiv in Charakterveränderung zu investieren: »Setzt alles daran, dass zu eurem Glauben Charakterfestigkeit dazu kommt (NGÜ, 2. Petr 1,5).
Setzt alles daran – das sollte uns aus unseren bequemen Sofas hochschrecken lassen; als würde ein Professor in der Uni erklären, dass das Thema jetzt besonders “klausurrelevant” ist: Jetzt kommt was Wichtiges. Darum sollen wir uns drehen.
Warum?
Richtig, um Charakterfestigkeit. Andere Übersetzungen sprechen von Tugend oder einem vorbildlichen Leben, in den nächsten Versen wird das ergänzt um konkrete Eigenschaften: geistliche Erkenntnis, Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit, Ehrfurcht, Liebe.
Tugend oder Charakter – das ist das, was du bist, wenn keiner zuschaut. Und in Drucksituationen. Unser Charakter zeigt sich, wenn wir müde sind und jemand im Meeting die elfte unnötige Frage stellt. Unser Charakter kommt zum Tragen, wenn der Chef im Urlaub ist. Charakter ist, was wir fühlen, wenn uns jemand kritisiert. Charakter ist, was von Innen aus uns herauskommt – manchmal beeindruckend, manchmal auch echt hässlich (Mk 7,15).
Es geht dabei nicht um Uniformität, es geht um unser tiefes Sein. Ein gottgemäßer Charakter kann unterschiedlich aussehen: introvertiert und extrovertiert, lustiger oder ernster. Wir müssen keine stille Person werden – aber wir sollten schweigen können, wo es angebracht ist. Wir müssen keine Prinzipienreiter werden – aber wir sollten für Überzeugungen einstehen lernen, auch wenn es uns etwas kostet.
3 Totschlagargumente für Charakterveränderung
Wahrscheinlich begegnet uns keine Person im NT, die einen so schillernden Charakter hat, wie Petrus. Kaum ein Charakter wurde so verändert wie er. Vermutlich kann uns Petrus deshalb so gute Gründe liefern, warum Charakterveränderung unfassbar wichtig ist. Lesen wir einfach weiter im Text:
I. “Wenn das alles bei euch vorhanden ist und ständig zunimmt, wird euer Glaube nicht untätig und nicht unfruchtbar bleiben” (2. Petrus 1,8)
Sehnst du dich manchmal danach, dass Menschen in deinem Umfeld neugierig auf deinen Glauben werden? Macht du Jugendarbeit und wünschst dir, einen nachhaltigen Impact auf deine Teens zu haben?
Petrus erklärt uns hier: Wenn du dich veränderst, wird sich dein Umfeld verändern! Ein geheiligter und von Gott veränderter Charakter bringt Frucht. Wenn wir in unseren Charakter investieren, finden Menschen zu Jesus: Nicht, weil wir so tolle Antworten haben (Kompetenz), sondern weil unsere Freunde sich fragen, wie wir freundlich bleiben können, auch wenn man uns angreift (Charakter). Wenn wir in unseren Charakter investieren, prägen wir unsere Mentees: Nicht, weil wir ihnen systematische Konzepte vermitteln (Kompetenz), sondern weil unser innerer Friede in Drucksituationen eine Sehnsucht nach einer eigenen tieferen Gottesbeziehung weckt (Charakter).
II. „...ihr werdet Jesus Christus, unseren Herrn, immer besser kennenlernen“ (2. Petrus 1,8b)
Gott kennenlernen bedeutet, eine immer tiefere Beziehung zu ihm haben. In dieser Beziehung liegt auch das Geheimnis der Veränderung: “Indem wir das Ebenbild des Herrn anschauen, wird unser ganzes Wesen so umgestaltet, dass wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen” (2. Korinther 3,18). Die Gottesnähe verändert unseren Charakter und unser veränderter Charakter sehnt sich nach immer mehr Gottesnähe. Wir werden zu wahrhaftigen Menschen, weil wir einem Gott dienen, der Wahrheit ist. Wir werden zu liebenden Menschen, weil wir einem Gott folgen, der Liebe ist. Und jeder Becher, den wir aus dieser liebenden Haltung heraus Dürstenden anbieten, ist ein Becher, den wir Jesus gereicht haben (Matthäus 25,40). In den Charakter investieren bedeutet letztlich auch, in Gottesbeziehung zu investieren – und dafür sind wir geschaffen!
III. „Wer das nicht hat ist so kurzsichtig wie ein Blinder im Dunkeln“ (2. Petrus 1,9)
Petrus hängt noch eine Warnung an: Nicht in den Charakter zu investieren kann gefährlich sein. Wer blind ist, ist unvorbereitet, wenn unvorhergesehene Situationen eintreten. Wer blind ist, läuft gegen Wände. Verirrt sich. Scheitert.
Kaum etwas lässt uns so krachend Scheitern wie unser Charakter. Und kaum ein Scheitern richtet so großen Schaden an wie charakterliches Scheitern. David scheiterte an fehlender Selbstbeherrschung (2. Samuel 11), Mose stand seine Selbstgerechtigkeit im Weg (4. Mose 20), Petrus seine (Sehn)sucht nach Anerkennung (Galater 2,11ff.). Davids Versagen tötete einen Menschen, Mose missrepräsentierte Gott vor dem Volk.
Und wir? Und heute? Frag doch mal nichtchristliche Freunde, wie sie Christen beschreiben würden. Das Urteil ist ernüchternd. Und warum!? Warum sind wir nicht bekannt als die liebevoll Gnädigen? Als Menschen, die ehrlich sein können und trotzdem einen Platz in der Gemeinschaft haben? Weil unser Charakter unsere Kompetenz untergräbt. Weil wir gute Reden schwingen können, aber nicht lieben. Und ohne Liebe ist alles nichts (vgl. 1. Korinther 13). Ohne Charakter ist Kompetenz nichts.
Deshalb: Lasst uns investieren, ringen. Für Charakterveränderung beten. Gottes Nähe suchen und uns verändern lassen: Hin zu Menschen, die Gottes Charakter widerspiegeln.