Seelsorge an Jugendlichen
„Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Dieses Zitat von Martin Buber hat es in sich. Wir sind zur Beziehung geschaffen – zur Beziehung mit Gott unserem Schöpfer …
„Der Mensch wird am Du zum Ich.“
Dieses Zitat von Martin Buber hat es in sich. Wir sind zur Beziehung geschaffen – zur Beziehung mit Gott unserem Schöpfer und zur Beziehung miteinander. In diesem Lebensraum entwickelt sich der Mensch zum Ich und wird damit seinerseits wieder ein Du für andere.
Beginnend im Elternhaus erweitert sich der Raum der Begegnungen in der Teenie- und Jugendzeit, die „Peer“ wird wichtiger Bezugspunkt und der Einfluss der Eltern nimmt ab. Hier kann christliche Jugendarbeit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer gesunden, tragfähigen Identität leisten. Ein stabiles Beziehungsangebot, indem wir den jungen Menschen ein verlässliches Gegenüber anbieten, ist ein wesentlicher Beitrag! Ein stabiles Beziehungsangebot, indem wir den jungen Menschen ein verlässliches Gegenüber anbieten, ist ein wesentlicher Beitrag!
Sein wichtigstes Gegenüber findet der Mensch in Gott. In Christus hat uns Gott das „Du“ angeboten. Der „Ich bin“ sagt mir wer ich bin. Was für eine gute Nachricht!
Nun wissen wir, dass die Entwicklung nicht automatisch konstruktiv und heilsam verläuft. Das Leben irritiert und bringt leidvolle Erfahrungen mit sich: Streit, Abwertung, Verletzung, Manipulation, Überbehütung, Trennung, Krankheit, Konkurrenz, Zweifel, Liebeskummer etc. – die Erlebnisse, die junge Menschen in ihrem Sein und Werden verunsichern sind vielfältig.
Was ist Seelsorge?
„Seelsorge ist aus dem christlichen Glauben motivierte und im Bewusstsein der Gegenwart Gottes vollzogene Zuwendung.“§2 SeelGG
„Mit Seelsorge ist alles Zuhören, Fühlen, Verstehen, Bestärken und Trösten gemeint, das der eine Mensch dem anderen gewährt, … Seelsorge ist in diesem umfassenden Sinne nicht ein Beruf oder an einen bestimmten Beruf gebunden. Sie ist eine Haltung, die jeden Menschen qualifiziert, wenn er mit Mitmenschen in irgendwelcher Not zusammentrifft.“Christoph Morgenthaler
Seelsorge ist Beziehungsgeschehen.
Wir begegnen jungen Menschen, bieten ihnen ein menschliches Du an und bringen Sie in Kontakt mit dem göttlichen Du. Doch was ist die Seele eigentlich?
…da wurde der Mensch eine lebendige Seele / ein lebendiges Wesen.Genesis 2,7
Die Seele ist im biblischen Sprachgebrauch ein weiter Begriff. Sie beschreibt den Menschen als bedürftiges und ermächtigtes Wesen. Wir sind im Bild Gottes mit Wert und Würde geschaffen und ermächtigt unser Leben in dieser Welt zu gestalten. Diese Ermächtigung ist jedoch nicht grenzenlos. Wir brauchen Nahrung, Kleidung, Schutz und die menschliche Gemeinschaft. Wir sind Angewiesene.
Seelsorge an jungen Menschen heißt, mit ihnen gemeinsam zu entdecken, wo ihre Stärken, Gaben und Ressourcen liegen und welche Aufgaben und Begrenzungen ihnen in ihrer Lebenssituation gegeben sind. Seelsorge an jungen Menschen heißt, mit ihnen gemeinsam zu entdecken, wo ihre Stärken, Gaben und Ressourcen liegen und welche Aufgaben und Begrenzungen ihnen in ihrer Lebenssituation gegeben sind. Manche Grenzen gilt es zu überwinden, andere anzunehmen.
Wir wollen jungen Menschen helfen, freie, mündige und verantwortungsvolle Persönlichkeiten zu werden. Dabei adressieren wir sie nicht als hilflose Wesen, denen wir die Welt erklären. Wir begegnen ihnen auf Augenhöhe mit Annahme, Wertschätzung, Interesse, Respekt und Demut und entdecken gemeinsam, zu was sie befähigt sind.
Der Seelenbegriff ist auch in der Hinsicht weit, als dass er den ganzen Menschen meint. Es geht in der Seelsorge vor allem um den inneren Menschen, um sein Denken, Fühlen, Wollen und Glauben. Es geht in der Seelsorge vor allem um den inneren Menschen, um sein Denken, Fühlen, Wollen und Glauben. Doch der Mensch ist eine Einheit aus dem inneren und äußeren Menschen, insofern ist auch die Leiblichkeit wichtig. Gerade im Umgang mit dem eigenen Körper haben viele Jugendliche in ihrer Entwicklung Herausforderungen zu meistern. Bin ich schön und attraktiv? Wie sehen mich die anderen? Was kann ich eigentlich und kann ich mithalten? Bin ich wertgeachtet?
Seelsorge hat gesunde Beziehungen zum Ziel
Die wichtigste Beziehung des Menschen ist seine Gottesbeziehung, auch wenn diese in der Seelsorge häufig nicht die erste ist, über die wir sprechen. Meist sind es die alltäglichen Zumutungen, die Probleme machen, die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Beziehung der Jugendlichen zu sich selbst und zur umgebenden Sachwelt. In alledem halten wir Ausschau danach, wie wir das Evangelium der Liebe Gottes angemessen ins Gespräch bringen können.
„Seelsorge ist die gespannte Erwartung, was eigentlich geschieht, wenn ein Mensch in existenziell herausfordernden Lebenssituationen in Berührung kommt mit dem Evangelium von Jesus Christus.“Michael Herbst
Seelsorge bemüht sich um lebens- und glaubensfördernde Strukturen im Denken, Fühlen, Wollen und Handeln.
In Israel begrüßt man sich mit dem Friedensgruß „Schalom“! Im Schalom geht es um eine „lebensfördernde Geordnetheit“. Das berührt eine wesentliche Wirklichkeit: Alles Dasein beginnt damit, dass Gott das Chaos ordnet (Genesis 1,1) und uns Menschen einen Lebensraum schafft. Gelingendes Leben braucht gute Strukturen. Dabei geht es nicht um pedantische Ordnung oder Zwanghaftigkeit, sondern um hilfreiche Rahmenbedingungen, die freies Leben erst möglich machen.
Seelsorge will überwinden, was Leben verhindert und fördern, was dem Leben dient.
Christus ist gekommen, „damit wir Leben haben und es im Überfluss haben“ (Johannes 10,10). Dafür hat er die größte Chaosmacht unseres Lebens, die Sünde, am Kreuz überwunden und Frieden gemacht (Kolosser 1,20).
Diesem Vorbild folgen wir in der Seelsorge, indem wir danach fragen, was das Leben der Jugendlichen erschwert und daraufhin gemeinsam Wege suchen um heilsame Strukturen zu schaffen. Dabei geht es nicht um ein krisenfreies Leben – das ist weder realistisch noch förderlich, denn es gehört zu den Geheimnissen des Menschseins, dass Krisen zu wichtigen Stationen in der Entwicklung und Reife werden können (Römer 5,3).
In alledem sollten wir nie unterschätzen, dass wir – bemerkt oder unbemerkt – Modell stehen. Unser ehrliches und offenes Vorbild leistet einen wichtigen Beitrag zur Orientierung.
Konkrete seelsorgerliche Fragestellungen:
- Was ist jetzt für dich wichtig?
- Was ist dein nächster Schritt, der dem Schalom deines Lebens dient?
- Was heißt ein Leben im Glauben für dich in deiner Lebenssituation?
Die seelsorgerliche Begegnung…
Zur Klärung der eigenen Rolle und des seelsorgerlichen Auftrages kann folgender „Dreiklang“ helfen:
- Wer bin ich?
Seelsorge hat immer auch mit uns zu tun, denn wir bringen uns selbst mit ein und deshalb sollten wir uns und unsere eigenen Themen kennen. Meist ist Seelsorge zwischen Personen gleichen Geschlechts empfehlenswert. Übrigens: auch wenn du selbst Jugendlicher bist, kannst du anderen seelsorgerlich begegnen (1. Timotheus 4,12). - Wer ist der andere?
Es geht in der Seelsorge nicht um uns, der andere steht im Mittelpunkt. Wem begegne ich gerade? Was braucht diese Person, was ist ihr Anliegen? Wurde ich angesprochen oder spreche ich aktiv an? - Was ist jetzt meine Aufgabe?
Soll, kann und möchte ich dem anderen ein Gegenüber sein? Habe ich die persönlichen und zeitlichen Ressourcen dafür? Was ist hier und jetzt angemessen?
Häufig geht es zunächst um erste Hilfe, eine Art „stabile Seitenlage der Seele“ in Form von situativer Unterstützung durch ungeteilte Aufmerksamkeit, Zuhören, Mitfühlen, Trost und Fürbitte. Daraus kann sich eine weitere Begleitung ergeben oder wir vermitteln Begleitung durch andere.
Seelsorge hat verschiedene Dimensionen, nicht alles ist zu jeder Zeit hilfreich:
- Begleiten und beistehen (Zuhören, einfühlen, verstehen, da sein, helfend handeln)
- Ermutigen und trösten (Motivieren, vergewissern, Kompetenzen stärken)
- Befreien und lösen (Beichte, Zuspruch von Vergebung, Versöhnung)
- Deuten und beraten (Orientierung, Wahrnehmung erweitern, Entscheidungshilfe)
- Ermahnen und zurechtweisen (Herausfordern, korrigieren, blinde Flecken ansprechen)
- Lehren und prüfen (Glaubenslehre, Wahrheit in Gnade zur Sprache bringen)
- Gemeinschaft fördern (Räume für seelsorgerliche Gemeinschaft gestalten)
Verschwiegenheit
Vertraulichkeit ist in der Seelsorge oberstes Gebot. Sie ist Grundvoraussetzung für wirkliche Offenheit, nur so kann zur Sprache kommen, was Not macht. Als Seelsorgende sind wir diskret und behandeln das uns Anvertraute verschwiegen. Neugierde ist fehl am Platz. Ausnahme bei der Schweigepflicht ist die akute Eigen- und Fremdgefährdung. Bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung (Missbrauch, Vernachlässigung etc.) ist eine Beratung durch entsprechende Fachleute geboten.
Grenzen
Der Jugendseelsorge sind fachliche und rechtliche Grenzen gesetzt. Wenn es sich um krankheitsrelevante Problemstellungen handelt, ist ärztlich-therapeutische Abklärung und Behandlung notwendig. Eine begleitende Seelsorge steht dem nicht im Weg.
Darüber hinaus ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren. Welche Themen überfordern mich? Was kann ich verarbeiten?
Selbstfürsorge
Wer regelmäßig anderen seelsorgerlich dient, sollte selbst seelsorgerliche oder supervisorische Begleitung in Anspruch nehmen. Hier können im geschützten Raum Belastungen verarbeitet, eigene Herausforderungen reflektiert und das persönliche Wachstum gefördert werden.
Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.Genesis 2,7
Seelsorge an jungen Menschen ist eine schöne, verantwortungsvolle Aufgabe! Den Frieden zu fördern ist Merkmal der Kinder Gottes und so geht Seelsorge uns alle etwas an – jeder in seinem Maß und seinen Möglichkeiten.
Persönliche Reflexion
- Wie müsste eine Person sein, der du dich in seelsorgerlicher Not anvertrauen würdest?
- Was ist dein nächster Schritt, der dem Schalom deines Lebens dient?
- Was heißt ein Leben im Vertrauen auf Gott für dich in deiner Lebenssituation?
In diesem Sinne: Schalom!