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Mental Health

Resilienz: Wie wir uns nicht unterkriegen lassen 

Jeder Mensch erlebt Krisen. Die Resilienz hat einen großen Anteil daran, wie wir mit diesen Krisen umgehen.

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10. Januar 2023
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6 min
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Wie wäre es, wenn wir Herausforderungen und Schicksalsschläge durchstehen könnten, ohne Schäden davon zu tragen? Mehr noch: Wenn wir gestärkt aus Krisen hervorgehen könnten? Was ist dafür nötig? 

Was ist Resilienz? 

In der Werkstoffkunde beschreibt der Begriff Resilienz, inwiefern ein Material unter Belastung standhält und zurück in die ursprüngliche Form kommt. Als psychologisches Konzept geht es um das Zusammenspiel der Faktoren, die unsere Widerstandskraft in den Belastungen des Lebens ausmachen. Nachdem sich medizinische und psychologische Therapien lange auf die Heilung von akuten und chronischen Erkrankungen fokussiert haben, kommt immer stärker in den Blick, was uns gesund und munter hält. 

Wir können uns Resilienz als Immunsystem unserer Seele vorstellen. Damit können wir Krisen überwinden und persönlich stark werden. So wie sich das Immunsystem unseres Körpers entwickelt, wenn wir mit Bakterien und Viren konfrontiert sind, wachsen wir Menschen durch die Herausforderungen und Belastungen des Lebens (vgl. Jakobus 1,2). 

Unter Resilienz verstehen wir die Eigenschaften und Fähigkeiten, die es einem Menschen ermöglichen, schwierige Lebenssituationen ohne bleibende Beeinträchtigungen zu überstehen und an ihnen zu wachsen. 

Ein resilienter Mensch... 

• … wird von schwierigen Umständen nicht so leicht aus der Bahn geworfen 

• … erholt sich nach Herausforderungen 

• … lernt aus Krisen und geht gestärkt daraus hervor 

Das klingt vielversprechend. Aber: Was hilft uns, wie Stehaufmännchen in und nach Belastungen und Krisen aufrecht zu bleiben? Drei Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: 

• Verstehbarkeit: Ich kann das, was mir geschieht einordnen und nachvollziehen. 

• Handhabbarkeit: Ich habe das Gefühl, über ausreichend Ressourcen zu verfügen, mit deren Hilfe ich meine derzeitige Lebenslage bewältigen kann. 

• Sinnhaftigkeit: Ich empfinde, dass mein Leben auch unter diesen Umständen sinnvoll ist und dass es sich lohnt, mich zu mühen. 

Resiliente Menschen haben gelernt, dass Krisen, Frust und Leiden zum Leben gehören. Sie stellen sich der Realität, anstatt sie zu leugnen. Sie konzentrieren sich auf die Möglichkeiten, anstatt ihre Kräfte im Widerstand zu verschleißen. 

10 Dinge, die uns stärken: 

1. Gute Beziehungen pflegen 

2. Zeit mit Gott verbringen 

3. Maßhalten, die eigenen Grenzen wahrnehmen und respektieren 

4. Ruhe bewahren, spüren und tun, was entlastet und guttut 

5. Perspektivwechsel durch folgende Fragen: 

a. Welche alternativen Wege sind möglich? Wie kann ich noch darüber denken? 

b. Was hat sich in früheren Erfahrungen als hilfreich erwiesen? 

c. Was kann ich lernen? 

6. Veränderung annehmen, Unveränderliches akzeptieren 

7. Realistische Ziele setzen und beherzt handeln 

8. Sich etwas zutrauen, statt zu vermeiden 

9. Dankbarkeit in den kleinen Dingen 

10. Durchhalten, Hoffnung und Optimismus stärken 

Im Licht des Glaubens 

Wie passen diese Gedanken über Resilienz zum christlichen Glauben? Macht Glaube resilient? Gott möchte, dass unser Leben gelingt – er stellt uns Ressourcen zur Verfügung, mit denen wir unser Leben gestalten können. Er macht aber auch ganz klar, dass Schwierigkeiten und Leid zum Leben gehören. Das irdische Paradies ist verloren und wir kämpfen mit Krankheiten, Not und Sünde. Spätestens im Tod findet die menschliche Widerstandskraft ihren Meister. In alledem finden wir Halt in drei starken Glaubenspfeilern: Glaube, Liebe und Hoffnung. 

Glaube 

Wer vertraut (das ist Glaube im Kern), kann sich Gott auch in Katastrophen und Widersprüchen anvertrauen. Wer glauben kann, dass sein Leben in der Hand eines guten Gottes geborgen ist, hat Reserven, die über persönliche Kräfte und soziale Verbundenheit hinaus gehen. Im Glauben richten wir unser Leben neu aus und vertrauen uns dem großen Gott an. Hier können wir Krisen relativieren, ohne sie zu verharmlosen (vgl. Römer 8,18-22). 

Gottvertrauen kommt besonders da zum Tragen, wo wir Dinge nicht mehr verstehen. In und trotz allem haben wir dann ein Gegenüber. Zweifel, Klagen und Fragen finden Gottes offenes Ohr. Diese Art des „Dennoch-Glaubens“ hat Asaf in Psalm 73,23-26 beeindruckend festgehalten: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ 

Leben im Aufblick zu Gott ist im hohen Maß seelisch gesund. Es weitet den Horizont und führt uns aus krisenhafter Ich-Zentrierung heraus. Der glaubende „Stehauf-Mensch“ findet seine Stabilität in Gott. Er ist da – dennoch! 

Glaube, der nicht stärkt, sondern schwächt 

In diesem Zusammenhang müssen wir auch ehrlich über die Schattenseiten sprechen: Glaube kann selbst zur Belastung werden. Wo Angst statt Vertrauen, Gesetz statt Gnade und Resignation statt Hoffnung herrschen, entstehen Fehlbelastungen. Glaube, Liebe und Hoffnung sollen auf die Wirklichkeit Gottes in unserem Leben hinweisen und uns nicht als Forderungen niederdrücken. In letzterem Fall wird Glaube nämlich nicht als befreiende Kraft und Ermutigung, sondern als Zumutung erlebt. 

Liebe 

Warum Liebe uns stark macht: 

• Sich von Gott geliebt wissen gibt dem Leben eine tragende Kraft. Da ist einer, der es gut mit mir meint, der sich für mich hingegeben hat und mein Bestes will (vgl. Römer 8,31-39). 

• Sich von Menschen lieben lassen bedeutet, tragfähige Freundschaften zu pflegen und in der Krise Hilfe zuzulassen und Unterstützung anzunehmen. Ich darf Schwäche zeigen. 

• Gott und Menschen lieben: Wenn wir lieben, öffnen wir uns und kreisen nicht mehr um uns selbst. Liebe weitet die eigenen Grenzen. Gutes tun tut gut. 

Die Liebe erträgt alles (1. Korinther 13). Sie überwindet Angst (1. Johannes 4,18), führt aus der Einengung heraus und weitet unseren Blick für Gott und Menschen. 

Hoffnung 

Hoffen bedeutet, über scheinbar unveränderliche Tatsachen hinauszusehen. Wer hofft, fühlt sich nicht allem ohnmächtig ausgeliefert. Wer hofft hält es für möglich, dass Dinge sich verändern. Es geht dabei nicht um ein inhaltsleeres Vertrösten, sondern um ein Festhalten an Gottes Verheißungen. Hoffnung bezieht eine zusätzliche Dimension mit ein und hält der Realität eine trotzige Zuversicht entgegen: Meine aktuelle Situation wird nicht das letzte Wort haben. Selbst für den Tod gibt es hier Hoffnung: Lebendig hoffen heißt resilient werden, und das sogar über den Tod hinaus. Hoffnung blickt auf eine Zukunft, in der Gott alle Tränen abwischen und alles neu machen wird (Offenbarung 21,4-5). 

Hoffnung ist dabei kein naiver Optimismus – es geht um eine Gewissheit, die durch Leiden und Scheitern hindurchträgt. Gott schafft neue Anfänge und kann sogar aus Schwäche Stärke wachsen lassen. 

Fazit 

Resilient zu sein bedeutet, vor Krisen nicht davonzulaufen. Es bedeutet, ein kräftiges Ja zu den Herausforderungen des Lebens zu finden. Neben allem Schweren steckt in den Krisen Potential für Wachstum und Reife. Resilienz scheut Herausforderungen nicht, sondern trainiert die seelische Muskulatur in den „Workouts“ glauben, hoffen und lieben. 

Das Evangelium gibt uns dabei einen Rahmen, der unserem Leben Sinn verleiht. Von Gott geschaffen, geliebt, erlöst und gesandt stellen wir uns der Realität. Wir wachsen in der Liebe zu Gott und unseren Nächsten über uns selbst hinaus. Selbst Schwäche hat hier ihren Platz – um es mit Paulus zu sagen (2. Korinther 12,9): „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn, wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ 

Unser Glaube hat das Potential, Krisen auf den Kopf zu stellen. Es geht dabei nicht um Unverwundbarkeit, denn wirkliche Stärke setzt Verletzlichkeit voraus. Verwundbarkeit öffnet einen Raum für persönliches Wachstum und weitet unseren Blick für Gott und andere Menschen. Resilienz ist nicht einfach Selbstzweck, denn auch wer anderen Halt geben möchte, braucht Widerstandskraft. 

Resilienz zeigt sich in Krisen, beginnt aber viel früher. Wir greifen in Belastungen auf das zurück, was wir verinnerlicht haben. Das ist eine gute Nachricht, denn es bedeutet, dass wir uns vorbereiten können. Wer seine seelische Widerstandkraft trainieren möchte, dem empfehlen wir, neben den 10 praktischen Faktoren in diesem Artikel das 8. Kapitel des Römerbriefes im Herzen zu bewegen. 

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Dyness Kranzmann arbeitet im Gesundheitswesen. Karsten ist selbstständiger Supervisor, Seelsorger, und Referent (www.kranzmann.net).