Mit Erlösung fängt alles an - Der Prolog
Gott gibt seine Gebote aus lauter Güte und Liebe zu uns. Sie zeigen uns, wo wir nicht zu ihm passen und seine Vergebung brauchen und sie weisen uns den Weg zum guten, heiligen Leben. Das galt schon damals für die Israeliten und das gilt auch noch heute für uns.
Einstieg
In der letzten Einheit haben wir uns zu Beginn gefragt, ob wir als Christen eigentlich die 10 Gebote halten müssen. Eine Frage, die häufig zu vielen Missverständnissen führt. Das hängt damit zusammen, dass wir oft schon nicht verstehen, wie die 10 Gebote für die Israeliten damals funktioniert haben. Mussten Sie sich an die Gebote halten, um gerettet zu sein? Hat es damals gereicht, die 10 Gebote zu halten, um Gott zu gefallen? Wäre Jesus überflüssig geworden, wenn sie es geschafft hätten, gemäß den 10 Geboten zu leben?
Wenn wir uns anschauen, wie der Prolog der 10 Gebote beschrieben wird, dann verstehen wir besser, wie die Gebote für Israel damals gemeint waren, und welche Bedeutung sie für uns Christen heute haben. Wir lesen dazu den Text und nähern uns ihm dann in drei Schritten.
Textlesung
2.Mose 20,1-7 + 18-19 (Wenn die Aufmerksamkeit eurer Gruppe es erlaubt, dann lest gleich den ganzen Abschnitt 20,1-19)
1. Mit Gott fängt alles an
Gleich zu Beginn der Erzählung begegnet uns eine ungewöhnliche Formulierung: „Gott redet.“ Das ist nicht ungewöhnlich, weil Gott so selten redet, sondern weil im Hebräischen normalerweise danach gesagt wird, zu wem Gott denn redet. Der Adressat fehlt. Aber warum? In Vers 18-19 wird doch sofort deutlich, dass Gott zur Volksmenge der versammelten Israeliten redete.
Solche Kniffe sind typisch für die hebräische Erzählkunst. Sie fallen uns heute beim Lesen kaum auf, aber sind eigentlich dazu gedacht, unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Punkte zu lenken, die dem Verfasser wichtig waren. Was uns hier auf keinen Fall entgehen soll ist, wie erstaunlich es ist, dass Gott zu einer so großen Menge von Menschen redet. Alle anderen Gebote des Gesetzes werden durch Mose als Boten an Israel überbracht. Nirgendwo sonst in der Bibel redet Gott zu einer so großen Menge von Menschen laut und für alle hörbar. Niemals sonst gab es eine so große Menge an Ohrenzeugen. Hier soll für alle nachfolgenden Generationen klargemacht werden, dass Gott wirklich gesprochen hat.
„Dein Opa hat es auch gehört, und deiner auch, und die Oma auch, wirklich alle haben es gehört…“ Was auch immer als Nächstes kommt, muss von unendlicher Wichtigkeit sein. Das ist die Botschaft dieser Betonung von Gottes Rede.
Und was sagt Gott? Beginnt er mit dem ersten Gebot? Nein. Er beginnt mit sich selbst.
„Ich bin der Herr, dein Gott…“ (Vers 2). Das „Ich“ ist im Hebräischen sogar noch hervorgehoben. Das ist kein Zufall.
Jeder Bund Gottes im Alten Testament beginnt damit, das Gott mit dem Wort „Ich“ beginnt: Der Bund mit Noah (1.Mose 9,9), der Bund mit Abraham und seinen Nachkommen (1.Mose 17,1), der Sinai-Bund (2.Mose 20,2), der Bund mit David (2.Samuel 7,8) und der neue Bund, den Hesekiel verheißt (Hesekiel 34,24).
Dahinter steht kein Ego-Problem von Gott. Ganz im Gegenteil. Gott muss bei sich selbst anfangen, wenn überhaupt etwas zustande kommen soll. Hätte Gott mit uns Menschen begonnen, zum Beispiel damit, dass wir ein Mindestmaß an Geboten halten, wäre alles zum Scheitern verurteilt gewesen. Kein Mensch in der Geschichte dieser Welt hätte es jemals geschafft, die Rettung der Menschheit von sich aus voranzutreiben.
Gott kann nur dann etwas mit uns anfangen, wenn er selbst den Anfang macht.
(!) Das gilt auch schon im Alten Testament. Es war nie anders. Als er den Israeliten die 10 Gebote gibt, hatte er schon längst angefangen, sie aus Ägypten zu retten. Sie waren bereits keine Sklaven mehr. Sie waren durch das Meer gezogen und vor dem Völkermord in Ägypten gerettet worden.
Alle Rettung kommt von Gott. Genau wie Jesus Rettung der Welt allem christlichen Leben vorausgeht, ging auch Gottes Rettung der Israeliten aus Ägypten den 10 Geboten und anderen Anweisungen für ihr Leben voraus. Wir Christen glauben an einen Gott, der für uns ist, bevor wir überhaupt eine Ahnung haben, wer er ist und wie wir ihm gefallen könnten. Alles beginnt mit Gottes Initiative. Alles beginnt mit Gnade. Damals wie heute. Das wird auch im nächsten Schritt deutlich.
2. Dein Gott
Die 10 Gebote beginnen eben nicht mit einem Gebot, sondern mit einer Zusage. „Ich bin der Herr, dein Gott…“ (Vers 2). Gott schließt einen Bund, einen Vertrag mit Israel und nennt zu Beginn nicht nur seinen Namen, wie es damals üblich war, sondern er verbindet ihn mit einer Zusage: „Ich bin dein Gott.“ Was für ein Zuspruch, bevor überhaupt irgendwelche Anweisungen erfolgt sind! Ohne jegliches Zutun der Israeliten, ohne eine einzige Bedingung verspricht sich Gott den Israeliten. Er will ihr Gott sein. Für sie sein. Es ist die Kurzfassung der Bundesformel „Ich will dir Gott sein und du sollst mir Volk sein“, wie Gott sie später zum Beispiel bei Jeremia benutzt (Jeremia 30,22). Das ist der tiefe Ausdruck einer Wahrheit, die uns Menschen nur unheimlich schwer in den Kopf geht:
Der Gott, der uns gemacht hat, liebt uns von Herzen. Er will unser Gutes und wünscht sich die Beziehung zu uns. Schon hier zeigt sich das Evangelium.
Das Problem ist, dass wir Menschen uns so schwertun, diesem Zuspruch zu glauben. Unser Hauptproblem, das Problem hinter der Sünde, ist unser tiefes Misstrauen gegenüber Gott. Wenn sich unsere Herzen sicher wären, dass Gott wirklich unser Bestes will und auch verwirklicht, dann würden wir ja nicht sofort instinktiv fragen „Muss ich dieses Gebot wirklich auch halten?“, sondern wir würden fröhlich antworten „Und was wäre sonst noch gut, Gott?“.
Aber weil irgendetwas in unserem Herzen Gott misstraut, überhören wir die Zusage Gottes und verkehren die Gebote in ihr Gegenteil. Wir neigen dazu, sie als Regelwerk zu lesen, mit dem wir uns Gottes Gnade verdienen können.
Das führt dazu, dass wir ganz automatisch nach Schlupflöchern suchen und anfangen zu verhandeln: „Gilt nicht Stehlen auch für Passwort-Sharing bei Netflix?“. Wir versuchen, uns selbst gegenüber Gott abzusichern, indem wir uns an die notwendigen Regeln halten, aber gleichzeitig ärgern uns viele Regeln, weil sie uns wie Einschränkungen für unser Leben vorkommen, die wir niemals in Kauf nehmen würden, wenn es da nicht diesen Gott gäbe. (Je nachdem, wie interaktiv eure Einheit ist, könnt ihr hier gemeinsam nach mehr Beispielen suchen.)
Eigentlich funktionieren die 10 Gebote aber genau andersherum. Sie beginnen eben mit der Zusage Gottes, dass er Israels Gott sein will und setzen voraus, dass die Israeliten verstehen, was für ein großartiges Versprechen das ist. Sie sollen Ihm vertrauen und deswegen, weil sie erlebt haben, dass Gott ein guter Gott ist, der für sie ist, nach seinen Geboten fragen und leben. Und eigentlich hatten Sie dazu auch allen Grund.
3. Der dich erlöst hat
Gott sagt sich nicht nur selbst den Israeliten zu, er hat auch schon praktisch unter Beweis gestellt, dass er für sie ist. Er hat sie aus dem „Sklavenhaus“ in Ägypten herausgerissen und stattdessen sich selbst, einem liebevollen, gütigen und gerechten Herrn unterstellt. Die Sklaverei in Ägypten war eine schreckliche Situation gewesen. Die Israeliten hatten keinen Ausweg und mussten dabei zusehen, wie ihre Familien, ihre Kinder, ihr Volk langsam aber sicher immer sicherer auf den Tod zusteuerten. Sie konnten sich nicht einmal dagegen wehren, als die Ägypter anfingen, ihre Neugeborenen umzubringen (2.Mose 1). Aber Gott hatte ihr Elend gesehen und hatte Mitleid mit ihnen (2.Mose 2,25).
Wenn wir diesen Hintergrund der 10 Gebote nicht verstehen, dann können wir auch nicht verstehen, wie sie ursprünglich gemeint waren. Die 10 Gebote waren keine Aufgabenliste, die die Israeliten erfüllen mussten, damit Gott sich über sie erbarmen würde, sondern weil Gott sich über sie erbarmt hatte, gab er ihnen die Gebote als einen Wegweiser, mit dem sie lernen sollten, wie echtes, gutes, heiliges Leben aussieht. Die Gebote waren ein vereinfachte Lernregel, damit dieses Volk, das nicht einen Deut besser war, als alle anderen Menschen auf dem Planeten, lernen sollte, wie es ist, nach Gottes gutem Willen zu leben. Die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten sollte sie danach nicht der Anarchie überlassen, sondern sie der guten Herrschaft Gottes unterstellen. Ein enormes Geschenk!
Wenn wir uns das vor Augen halten, wird hoffentlich klarer, welche Bedeutung die 10 Gebote für uns als Christen heute haben. Die Sklaverei in Ägypten ist in der restlichen Bibel immer wieder ein Bild für die Versklavung aller Menschen unter die Sünde. Auch wir sind ohne Gott nicht frei, sondern eigentlich versklavt. Die Sünde in uns beherrscht uns und verdreht unsere Bedürfnisse und Wünsche immer wieder so, dass wir uns am Ende durch unsere Gier und unseren Neid nur selbst zugrunde richten und auf uns und unsere Mitmenschen im wahrsten Sinne des Wortes nur der Tod wartet. Aber Gott hatte auch Mitleid mit uns. Er hatte immer schon Mitleid mit allen Menschen, weil er uns ja geschaffen hat, um uns zu lieben und mit uns zusammen zu sein. Deswegen kam er zu uns, um uns aus dieser viel tiefer gehenden Sklaverei zu erlösen.
„Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
- Johannes 3,17
So wie Gott die Israeliten aus dem sicheren Tod in Ägypten befreit hat, hat Jesus auch uns aus dem sicheren Todesurteil der Sünde befreit. Niemand muss mehr getrennt von Gott sterben. Jedem Menschen kann vergeben werden, weil Jesus sich an unserer Stelle geopfert hat (Römer 3,21-26). Was für eine noch viel großartigere Zusage! Gott will auch unser Gott sein, und er hat klargemacht, dass es ihm alles wert ist, sogar den eigenen Tod am Kreuz. Wenn wir das verstehen und glauben lernen, dann wird aus unserer Frage „Müssen wir als Christen eigentlich die 10 Gebote halten?“ schnell die Einsicht: „Nein, das müssen wir nicht. Wir als Nichtjuden sind nicht in den Vertrag vom Sinai eingetreten. Aber wenn Gott so gut zu uns ist, dann wollen wir lernen, so zu leben, wie es vor ihm gut ist. Was sagen denn die 10 Gebote?“.
(An dieser Stelle könnt ihr euch gemeinsam darüber austauschen, wie die 10 Gebote uns helfen, heilig leben zu lernen, obwohl wir nie vertraglich auf sie verpflichtet wurden und z.B. auch keinen gesetzlichen Sabbat haben.)
Ergebnissicherung und Ausblick
Gott ist für uns, bevor wir für ihn waren. Er sagt sich uns zu, bevor wir seine Gebote auch nur kennen. Das ist die wichtigste Lektion, die wir aus dem Prolog der 10 Gebote mitnehmen müssen. Wenn wir in den nächsten Wochen die Gebote durchgehen, dann dürfen wir diese Grundlage niemals vergessen. Gott gibt seine Gebote aus lauter Güte und Liebe zu uns. Sie zeigen uns, wo wir nicht zu ihm passen und seine Vergebung brauchen und sie weisen uns den Weg zum guten, heiligen Leben. Das galt schon damals für die Israeliten und das gilt auch noch heute für uns.