Leben in der Fremde
Die Empfänger des 1.Petrusbriefes fühlten sich aufgrund ihres Glaubens wie Fremde in ihrer eigenen Heimat. Geht es dir manchmal auch so in unser heutigen Welt?
Zielsetzung
Die Jugendlichen sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass eine gewisse Fremdheitserfahrung im Alltag ein ganz normaler Bestandteil des Christseins war und auch heute noch ist. Außerdem sollen sie verstehen woher diese stammt. Dafür betrachten wir die Einleitungsverse des 1.Petrusbriefs. Diese Erkenntnis gibt den Jugendlichen gleichzeitig den richtigen Rahmen, um die restlichen Bibelarbeiten im 1.Petrusbrief in ihrer Relevanz für ihre eigene Lebenssituation einordnen zu können.
Einstieg
Die Zeiten haben sich geändert. 2022 markierte einen Epochenwechsel in der Geschichte Deutschlands: Erstmals waren weniger als 50% aller Deutschen Mitglieder in einer der beiden Volkskirchen. Nach einem Jahrtausend Christentum in Europa und Deutschland merken wir heute spürbar, dass wir am Beginn einer neuen Zeit stehen. Einer Zeit, in der die Spuren des Christentums zwar noch überall sichtbar sind, aber der christliche Glaube als Taktgeber für Weltbilder, Moral und Spiritualität von anderen Quellen abgelöst wurde. Der Alltag junger Menschen in Deutschland ist nicht mehr „von selbst christlich angehaucht“.
Das ist kein Grund zur Verzweiflung, aber eine Veränderung, der wir uns als Christen bewusst sein müssen. Die Situation, in der junge Menschen heute aufwachsen, hat wieder viel mehr mit der vorchristlichen Umgebung der frühen Gemeinde gemeinsam, als die Zeit, in der ihre Großeltern aufgewachsen sind.
Der 1.Petrusbrief spricht damals, wie heute genau in diese Situation: An eine Gruppe von Christen, die wegen ihres Glaubens nicht so recht zu der Gesellschaft um sie herum passen.
Bibeltext
,,Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien, die auserwählt sind nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, in der Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi: Gnade und Friede werde euch ⟨immer⟩ reichlicher zuteil!''
- 1.Petrus 1, 1-2
Erläuterung
Petrus beginnt seinen Brief mit einer interessanten Anrede: „den erwählten Fremdlingen von der Zerstreuung“. In Kapitel 2,11 nennt er sie „Beisassen“, so etwas Ähnliches, wie ein Pilger. Ein Fremder, der gerade nicht da ist, wo er Zuhause ist.
Wenn wir das Alte Testament so gut im Ohr hätten, wie Petrus, dann würde uns wahrscheinlich zusätzlich noch auffallen, dass Petrus hier eine Anspielung auf die Zeit des Exils macht, also die Zeit, in der das alte Volk Israel fern von ihrer Heimat in der Gefangenschaft in Assyrien und Babylon war. Er identifiziert seine Leser mit dem „zerstreuten“ Volk Israel.
Eigentlich komisch. Seine Adressaten waren christliche Gemeinden im Gebiet der heutigen Türkei, die aus Juden und Heiden bestanden (siehe z.B. die Anspielung auf das Leben der Vorfahren in 1,18). Also Menschen, die physisch ihre Heimat nie verlassen hatten. Einige von ihnen lebten wahrscheinlich immer noch auf dem Grundstück, auf dem nicht nur sie, sondern schon ihr Großvater geboren worden war.
Warum sollten diese Christen sich im „Exil“ fühlen?
Dieser schnell zu überlesende Punkt ist wichtig, damit wir den restlichen Brief verstehen. Petrus nennt die Christen „Fremdbürger“ und „Pilger“, weil sie durch den Glauben an Jesus in ihrer eigenen Heimat fremd geworden waren. Ihre Zugehörigkeit zu Gottes Volk war so prägend für ihr Leben, dass sie jetzt nicht mehr richtig in ihre Umgebungskultur passten (und das für Petrus auch gar nicht sollten). Die Christen damals wurden nicht systematisch verfolgt, wie es unter späteren Kaisern auftrat, aber sie eckten trotzdem so deutlich an, dass sie ihr Leben nicht ohne Widerstand und Befremdung leben konnten.
Petrus denkt dabei offensichtlich an die Worte, die er von Jesus selbst gelernt hatte:
„Wenn die Welt euch hasst, dann denkt daran, dass sie mich schon gehasst hat, ehe sie euch gehasst hat. Die Welt würde euch lieben, wenn ihr zu ihr gehören würdet, aber das tut ihr nicht. Ich habe euch erwählt, aus der Welt herauszutreten; deshalb hasst sie euch“
- Johannes 15, 18-19
An dieser Stelle merken wir, wie nah der 1.Petrusbrief an unserer Situation im postmodernen Europa ist. Auch wir merken jetzt wieder deutlicher als vielleicht in vergangenen Generationen, dass wir als Christen hier nicht richtig hinpassen. Wir ecken an. Wir sind auf der Durchreise. Die Parallelen zu uns werden schnell deutlich, wenn wir uns vor Augen führen, warum die Christen damals angefeindet wurden und nicht so richtig hineinpassten:
Christen damals... |
Christen heute... |
...lehnten Verehrung der gebräuchlichen Götter ab |
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...lebten nach einer anderen Moral, die sie als offenbart verstanden |
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...hatten merkwürdige Bräuche |
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...hatten eine exklusive Heilsbotschaft |
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...glaubten an einen Gott, der lächerlich wirkte |
Interaktion
Überlegt zuerst mit einem Sitznachbarn, wo ihr heute erlebt, dass ihr als Christen vielleicht nicht richtig in die Gesellschaft passt. Fragt euch dabei auch, was für eure Großeltern vielleicht anders war, als für euch. Wie fühlt ihr euch dabei?
Sammelt dann die Punkte in der großen Runde und versucht die Spalte „Christen heute“ in der Tabelle mit den entsprechenden Parallelen zu füllen.
Abschluss
Ihr merkt, dass viele dieser Faktoren heute noch ganz ähnlich zutreffen. Wir müssen uns ab und zu selbst klarmachen, wie merkwürdig wir als Christen für alle Menschen sind, die nicht glauben, dass Jesus Gott ist. Das ist die Realität in der Christen eigentlich immer gelebt haben – auch heute noch.
Die Frage, die Petrus im restlichen Brief behandeln wird ist, wie wir als Christen mit dieser Situation umgehen sollen. Er wird uns davor warnen, diese Fremdheit durch falsche Kompromisse aufzulösen oder auf der anderen Seite mit Zynismus und Ablehnung auf die Gesellschaft um uns herum zu reagieren. Sein Anliegen ist, uns in unserer Hoffnung auf das Wiederkommen Jesus so zu bestärken, dass wir mutig und sogar fröhlich durch die Herausforderungen des Lebens als Christ in einer nichtchristlichen Gesellschaft gehen können. Wir wollen beten, dass Gott auch uns genau das gelingen lässt.