Jugendarbeit vom Evangelium her gestalten
„Wann wirst du denn richtiger Pastor?“ Als Jugendpastor höre ich diese Frage häufig. Sie offenbart ein Missverständnis, das mich schmerzt: Jugendarbeit …
„Wann wirst du denn richtiger Pastor?“ Als Jugendpastor höre ich diese Frage häufig. Sie offenbart ein Missverständnis, das mich schmerzt: Jugendarbeit ist ein Lernfeld - und sobald du dort genug Übung hast, kannst du dort arbeiten, wo es wirklich zählt! Doch es geht in dieser Zeit um viel mehr!
Die meisten Entscheidungen, die in ein fruchtbares Leben in der Nachfolge führen, fallen im Teen- und Jugendalter! Wenn es also darum geht, wie und wo das Evangelium seine Wirksamkeit entfalten sollte, kann die Jugendarbeit nicht ein Anhängsel der Gemeinde sein. Es kann zur Speerspitze werden, die die ganze Gemeinde begeistert! Dort wo junge, durstige Herzen von Grund auf gesund geprägt werden können, pulsiert Leben. Es sollte nicht dem Zufall überlassen werden, die DNA des Evangeliums in ihrem Leben zu pflanzen.
Zu oft bewerten wir die Qualität unserer Jugendarbeit aufgrund der Teilnehmerzahl, oder mit der Menge der Bibelverse, die sie auswendig kennen.
Worauf kannst du als Jugendleiter achten, um sicherzustellen, dass sich in deiner Teen- oder Jugendgruppe eine Kultur des Evangeliums ausbreitet? Hier möchte ich dir ein paar Tipps geben, die dir als Evangeliums-Gradmesser dienen können.
Evangeliumszentrierte Verkündigung
Jim Rayburn, ein amerikanischer Jugendpastor Mitte des 20. Jhd., prägte den Satz: „Es ist eine Sünde Jugendliche mit dem Wort Gottes zu langweilen.“ Daran denke ich, wann immer ich vor unserer Jugendgruppe stehe.
Wir dürfen nicht den Eindruck vermitteln, das wertvollste und spannendste aller Bücher sei langweilig. Nun könnte man meinen wir sollten unsere rhetorischen Fähigkeiten ausschöpfen – und ich glaube das stimmt! – oder aber, den Hörer auf die theologische Tiefe des Textes aufmerksam machen – auch das ist sicher richtig! Aber es ist meine Erfahrung, dass die geschliffenste Rhetorik und die größte theologische Tiefe eine Gruppe nicht zu echtem geistlichen Wachstum führen kann, wenn sie den Hörer nicht frei machen. Denn mehr Wissen ist nicht gleich mehr Wachstum!
Befreiung - das ist die grundlegende Eigenschaft des Evangeliums. Er, der demütig und von Herzen sanftmütig ist, veränderte die Welt, indem er denen, die seinem Wort glaubten echte Freiheit gab (Galater 5,1).
Jugendliche stellen sich grundlegend die Frage nach ihrer Identität und „ihrem Platz“ im Leben. Sie sind empfänglicher als alle anderen Generationen für eine der größten Lügen des Widersachers: Dass wir uns durch das richtige Verhalten unsere Stellung verdienen, sowohl in der Gemeinde, als auch in der Welt.
Wir wissen, wie leicht sich gerade Jugendliche in Sünde verstricken lassen. Da laufen wir Jugendmitarbeiter Gefahr zu verkünden, wie wichtig es ist, uns von ihr fern zu halten. Stattdessen sollen wir nach dem streben was wahr, ehrbar, gerecht und rein ist (Philipper 4,8). Wenn wir aber in unseren Inputs Woche für Woche verkünden, dass sie wie Josef der Versuchung fliehen (1. Mose 39), wie David ihren Riesen entgegentreten (1. Samuel 17) und wie Daniel ihren Glauben bekennen sollen (Daniel 6), hauen wir genau in die gleiche Kerbe. Die Kerbe, die bei vielen Jugendlichen schon so tief gegraben ist: dass es auf das rechte Verhalten ankommt. Dabei sagt uns das Evangelium, dass Jesus für uns starb, um uns genau davon frei zu machen.
Wie kann ich das verhindern? Indem ich das Evangelium klar von seinen Folgen unterscheide.
Indikator #1 Unterscheidest du klar zwischen dem Evangelium und den Folgen des Evangeliums?
Ein Leben in der Heiligung ist von enormer Bedeutung! Denn fruchtlosen Bäumen blüht kein rosiges Ende. Aber Gehorsam ist nicht das Evangelium. Es ist eine Folge des Evangeliums. Liebst du Jesus, so bekommst du ein neues Herz, das seinem Gehorsam eine neue Priorität verleiht. Liebe führt zu Gehorsam. Gehorsam ohne Liebe führt zur Verbitterung.
Ist das vielleicht der Grund, dass so viele Jugendliche unsere Gemeinden verlassen? Dass sie sich nicht gut genug für die Messlatte halten, die wir in unserer Verkündigung anlegen?
Unser Auftrag besteht weniger darin ihnen zu sagen, wie sie leben sollten, als mehr darin ihnen zu sagen wer sie liebt. Denn nur die Freude und das Staunen über eben diese Liebe hat das Potential unser Leben nachhaltig zu verändern. (2. Korinther 3,18)
Belong -> believe- > behave
So wie wir Gefahr laufen, dem richtigen Verhalten in der Verkündigung einen Schwerpunkt zu verleihen, gilt es auch für den Grundton der Gruppendynamik. Unbewusst neigen wir dazu diejenigen in den Mittelpunkt zu stellen, die das richtige Verhalten an den Tag legen. So natürlich wie das erscheinen mag, so problematisch ist es.
Machen wir uns noch einmal bewusst: Ein Jugendlicher ist von der Frage getrieben: Wo ist mein Platz? Wo ist meine peer group? In der Clique meiner Schulklasse? Bei den Jungs im Sportverein? Dabei gilt überall: Bist du wie wir, gehörst du dazu. Klamotten, Musik, Hobbies, YouTube-Abos, etc.. Dies ist die natürliche Mechanik in jeder menschlichen Gemeinschaft. Auch in unserer Jugendarbeit wirkt unsere Menschlichkeit in dieselbe Richtung:
Verhalte dich, wie wir es tun (behave)
Glaube gehorsam das, was wir dir sagen (believe),
dann geben wir dir glaubhaft das Gefühl, dass du zu uns gehörst (belong).
Das Evangelium ist völlig anders. Es stellt die Reihenfolge dieser Kausalkette völlig auf den Kopf. Es ist von einer anderen Welt.
Jesus sagt: „Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid.“ (Matthäus 11,28) Er fordert kein Verhalten als Zugangsvoraussetzung, sondern verkündet: „Allen, die an mich glauben, gebe ich das Recht Kinder Gottes zu sein.“ Zachäus muss nicht seine Schulden vierfach begleichen, bevor Jesus bei ihm einkehrt (Lukas 4). Es ist eine Folge des Evangeliums! Der Knecht des römischen Hauptmanns muss sich nicht bekehren, um Jesu Gunst und Zuwendung zu erhalten (Matthäus 8). Es ist seine Reaktion auf Jesu Zuwendung. Die Frau am Jakobsbrunnen muss nicht Buße tun, um Jesu Zeit und Liebe zu spüren (Johannes 4). Er tut das alles, bevor sie sich auch nur ansatzweise geändert haben.
Im Evangelium haben wir den ultimativen Grund dafür, Jugendliche so zu lieben, wie sie sind. Sobald sie das erste Mal die Schwelle unseres Jugendraums überschreiten, dürfen sie von Jugendlichen und Mitarbeitern spüren: Du gehörst dazu! Ungeachtet deiner Hobbies, deiner Klamotten, deiner Musik oder anderen Äußerlichkeiten! Jesus liebt dich und das sollst du durch uns spüren und von uns hören.
Diese Kombination von offenen Armen und Verkündigung baut Vorurteile ab. Sie spricht sowohl durch das Leben der Jugendlichen und Mitarbeiter, als auch durch die Worte und wirkt rettenden Glauben. Es bietet ihnen die Gelegenheit das zu finden, was sie am meisten suchen: Ihren Platz. Ihre Identität.
Der nun entstandene Glaube füllt sie mit neuer Motivation und neuer Freude, die sie verändert. Von innen nach außen.
Indikator #2 belong -> believe -> behave : Ist diese Reihenfolge bei euch eine Realität?
Remember: Tiefgreifende, langfristige, echte und biblische Veränderung geschieht immer von innen nach außen. Die Natur unseres Herzens bestimmt unser Verhalten, niemals umgekehrt.
Sprich aufrichtig über deine eigenen Schwächen
Es gab Zeiten, in denen junge Menschen einer starken und klaren Leitung gefolgt sind. Meine Eltern sind von diesem Schlag. Spricht ein geistlicher Leiter mit großer Autorität in ihr Leben, so folgen sie gerne. (Zugegeben: Ihr asiatischer Hintergrund spielt hier sicher eine Rolle.)
Die Generation Z ist anders. Natürlich erzeugt geistliche Reife kombiniert mit natürlicher Autorität auch bei ihnen eine Reaktion. Die ist aber selten Vertrauen und Gehorsam. Es scheint komplexer geworden zu sein, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Für diese Generation ist Authentizität ein viel größerer Wert als Autorität. Authentizität ist die geheime Zutat eines jeden erfolgreichen Youtube-Stars, dem die Generation Z zu Füßen liegt: (Scheinbar) ungeschminkter, regelmäßiger Einblick in ihr Leben und ihren Alltag. Sie vermitteln den Eindruck echt zu sein und machen keinen Hehl aus ihren Schwächen. Wie viel Echtheit hierbei wirklich im Spiel ist, lassen wir mal dahingestellt. Was wir aber über die Generation lernen können, die Gott in unsere Obhut gegeben hat, ist klar: Unsere Botschaft wird nur dann großflächig auf guten Boden fallen, wenn Jugendliche spüren, dass wir echt sind. Das heißt im Klartext: Solange wir als Leiter und Mitarbeiter nicht regelmäßig Einblick in unsere Kämpfe und Schwächen geben, werden wir sie nicht mit der rettenden Botschaft des Evangeliums erreichen.
Jemand hat es mal so formuliert: "One of the reasons why I feel young people are leaving the Church is because we showed them our scriptures without showing them our scars.”
Niemand spricht gerne über seine Schwächen. Auch als Leiter spüren wir den Druck perfekt zu sein und tendieren eher dazu, unsere Stärken zur Schau zu stellen. Es ist aber kein geringerer Leiter als Paulus, der dem Bedürfnis der Generation Z vollends in die Karten spielt: „Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn ⟨meine⟩ Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohnt.“ (2. Korinther 12,9)
Indikator #3 Gewusst du das Vertrauen der Jugendlichen, indem du ihnen deine Narben zeigst?
Im Evangelium haben wir die Fähigkeit mutig über unsere Versuchungen und Schwächen zu sprechen und Jugendlichen unsere Narben zu zeigen, denn SEINE Kraft kommt in unseren Schwachheiten zur Vollendung.
Eine Jugendarbeit, die vom Evangelium gestaltet wird, ist sich bewusst, dass sie nur dann Wahrheit in das Leben eines Jugendlichen sprechen kann, wenn sie wahrhaftig sind.