Kennst du das: Vor kurzem hat dich eine neue Leidenschaft gepackt: Bibelstudierwochenenden mit der eigenen Jugend. Du warst gerade selbst auf so einem Wochenende einer befreundeten Jugend und kamst begeistert zurück. Fleißig fragst du alle möglichen Leute deiner Jugendgruppe an, ob sie Lust haben, so ein Wochenende zu organisieren. Du kannst vor deinem inneren Auge schon sehen, wie bis spät in die Nacht über den Bibeltexten gebrütet wird und sich in der Früh tiefe Gebetsgemeinschaften bilden. Das wird ein klasse Wochenende. Aber deine Mitarbeiter scheinen nicht ganz so begeistert zu sein. Du merkst wie viele nur aus Höflichkeit zusagen. Bei den Mitarbeitertreffen fehlt die Hälfte und kaum jemand denkt wirklich mit. Am Ende läuft die ganze Arbeit mal wieder über dich (oder zumindest kommt dir das so vor). Ja das Wochenende war nicht schlecht, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Du stöhnst schon innerlich, wenn du daran denkst, dass du im nächsten Jahr wieder von vorne Überzeugungsarbeit leisten musst. Du fragst dich wie du jemals eigenständige Mitarbeiter gewinnen willst, geschweige denn die Arbeit jemals an jemand anderen übertragen kannst…
Vielleicht ist es nicht das Bibelstudierwochenende, aber diese Erfahrung hat wahrscheinlich schon fast jeder Jugendmitarbeiter in der einen oder anderen Art gemacht. Warum ist es so schwer neue Mitarbeiter zu gewinnen? Warum springt der Funke nicht über? Warum ist da weit und breit niemand, der die Arbeit übernehmen könnte? Ist das einfach die „neue Unverbindlichkeit“ der jungen Generation? Ich glaube, dass uns dieses Thema in einer gewissen Weise immer und in jeder Generation begleiten wird, aber in manchen Punkten stellt uns gerade die Generation-Z vor besondere Herausforderungen. Diese Generation braucht in einer Welt, in der alle Türen offenstehen und alle Dinge möglich sind, vor allem eine Sache ganz besonders: Klarheit.
Klarheit in der (persönlichen) Vision:
Visionen sind wichtig. So viel ist uns klar. Ich glaube wir sind inzwischen recht gut darin Visionspapiere zu erstellen und unsere Werte aufzuschreiben. Wir schaffen es oft auch die Vision auf eine praktische Ebene herunterzubrechen. Z. B. könnte „Willkommenskultur“ ein Wert deiner Jugendgruppe sein und du hast die Vision, dass jeder Fremde, der durch die Tür läuft von eurem Welcome-Team begrüßt wird. So weit so gut. Aber um junge (unsichere) Menschen für dein Welcome-Team zu gewinnen, musst du ihnen noch zwei Fragen beantworten, von denen du vielleicht dachtest, dass die sowieso klar sind.
Warum ist das was ich tue wichtig?
Warum ist es wichtig, Fremde willkommen zu heißen? Ist das nicht klar? Ich glaube nur so halb. Deinem jungen Mitarbeiter ist klar, dass es nett ist Fremde zu begrüßen, aber er will mehr als nur nett sein. Er will „wichtig“ sein. Er will einen Unterschied machen. Wir müssen ihm zeigen, wie groß der Unterschied ist, den seine Arbeit macht. Sarah Eekhoff Zylstra schreibt in einem Artikel:
“If you can cast a vision and let them know why greeting people at church is essential—it’s meeting someone who is lonely and lost and giving them a place that feels like home and family—Gen Z will take the volunteer T-shirt and own it. […] They’re looking to make a difference.” zu Deutsch:
"Wenn du eine Vision hast und sie (die Jugendlichen) wissen lässt, warum es wichtig ist, Menschen in der Kirche zu begrüßen – dass es bedeutet, dem Bedürfnis eines Menschen zu begegnen, der einsam und verloren ist, und ihm einen Ort zu geben, der sich wie Zuhause und Familie anfühlt –, wird die Gen Z das Freiwilligen-T-Shirt nehmen und es leben. […] Sie wollen etwas bewirken."
Aus <https://www.thegospelcoalition.org/article/gen-z/>
Zeige den geistlichen Wert. Zeige die Not, auf die geantwortet wird. Zeige, welche Chance in dem einfachen „Job“ Leute zu begrüßen steckt. Mache ihm klar, welchen Wert seine Arbeit hat und welchen Unterschied er damit machen kann, und dann lass ihn beides selbst entdecken.
Warum ich?
Manchmal formulieren wir die Aufgabe, für die wir Mitarbeiter suchen, als einen Job, der halt von jemandem erledigt werden muss. So wie man jemanden sucht, der sich diesen Monat erbarmt die Gemeinderäume zu putzen. Egal wer, Hauptsache er hat schonmal einen Putzlappen in der Hand gehabt. Aber wenn wir die Bedeutung und die Chance der Aufgabe klar gemacht haben, wird deutlich, dass eben nicht jeder den „Job“ ausführen kann (ja auch Gemeinderäume putzen nicht). Ich glaube, dass wir es oft verpassen, jungen Menschen zu sagen, warum sie genau der richtige Mitarbeiter für diese Aufgabe sind. Zu oft gehen wir davon aus, dass doch klar ist, dass der junge Kerl vor mir eine herzliche und offene Art hat. Deswegen fragen wir ihn doch, ob er im Welcome-Team mitarbeiten will. Vielleicht ist deine Erfahrung anders, aber ich habe noch nicht viele junge Menschen getroffen, die ganz genau wussten, was sie gut können und wie sie das einsetzen können.
Mach deinen Mitarbeitern klar, warum du sie und nicht jemand anders gefragt hast. Mach ihnen klar, welche Qualitäten du in ihnen siehst und warum sie genau für diese Arbeit gebraucht werden. Mach ihnen klar, welchen Unterschied ihre persönliche Begabung in dieser Aufgabe macht. So wird deinem Mitarbeiter klar, welche Rolle er in der großen Vision einnehmen kann.
Klarheit in den Erwartungen und Aufgaben
Ich habe in der Gemeinde inzwischen oft die folgende Erfahrung gemacht: Es gibt ein Projekt, das seit vielen Jahren besteht. Der Mitarbeiterstab ist über die letzten Jahre recht konstant gewesen und man hat sich ein stückweit eingespielt. Aber das Team möchte natürlich auch das Jungvolk für ihre Arbeit gewinnen. Also fragt man begabte junge Studenten an (die haben Zeit), ob sie mal „ein bisschen“ mitarbeiten wollen. Das heißt die Arbeit kennenlernen, dabei sein, eigene Ideen und Projekte anstoßen und sich einfach einbringen. Wenn der junge Student nicht gerade eine Rampensau ist und den Laden am liebsten übernehmen würde, geht das fast immer schief. Manchmal sagt dann die eine Partei „Ich wusste ja gar nicht was ich machen sollte.“ Und die andere Partei antwortet „Ja alles was du wolltest!“.
Wir versuchen in aller Regel unseren Mitarbeitern möglichst viel Freiraum zu geben. Dann können sie sich und ihre Kreativität ausleben. Keine Tür ist verschlossen, alles steht dir offen. Das Problem ist nur, dass der junge Mitarbeiter gar nicht will, dass ihm alle Türen offenstehen. Was er braucht ist eine klare Aufgabe.
Das beinhaltet auch mehr als eine reine Jobzuweisung, sondern die Verantwortlichkeiten und die Erwartungen müssen so klar wie möglich kommuniziert werden. Wenn du einen Mitarbeiter für dein Welcome-Team gewinnen willst, reicht es nicht ihm einfach zu sagen, dass er ab jetzt Leute begrüßt. Ihm muss klar sein, welche Verantwortlichkeit damit einhergeht. Das kann z.B. sein „du bist dafür verantwortlich, dass keine Person sich in unserer Gruppe verloren fühlt“. (Das muss man natürlich weise formulieren). Die (steile) Erwartungshaltung an den jungen Mitarbeiter könnte sein „wenn jemand durch diese Tür kommt, bist du der erste(!), der die Person begrüßt.“. Damit ist klar, dass er nicht irgendwann mal hallo sagt, sondern was von ihm erwartet wird. Natürlich wollen wir keinen „Leistungsdruck“ aufbauen und ihm auch nicht vermitteln, dass wir ihm die Aufgabe nicht zutrauen würden und deswegen „kontrollierend“ einwirken müssen, aber diese klare Formulierung ist tatsächlich eine große Erleichterung für viele.
Um dem Mitarbeiter das Ganze gerade am Anfang noch leichter zu machen, ist es gut auch das „wie“ seiner Aufgabe möglichst klar zu formulieren. In dem Beispiel des Welcome-Teams könnte es z.B. bedeuten, dass er diese vier Dinge macht:
· Begrüße den Gast und frag ihn nach seinem Namen.
· Stelle dich selbst vor.
· Biete ihm was zu trinken an.
· Stell ihn einer weiteren Person vor.
Vielleicht schmunzelst du über so konkrete Aufgabenstellungen. Dann geht es dir so wie mir. Aber ich glaube, dass das tatsächlich einen Unterschied macht. Die „freiheitsliebende“ Generation, die wir vor uns haben, braucht gerade zum Start einen klaren und verständlichen Rahmen und keine Spielwiese zum Austoben. Die ganze Welt ist eine Spielwiese mit tausend überfordernden Möglichkeiten. Mach ihnen den Einstieg in eine Arbeit so klar wie möglich.
Wirklich?
Vielleicht fragst du dich, ob so viel Hilfestellung nicht kontraproduktiv ist. Ist es wirklich sinnvoll Visionen so stark herunterzubrechen und Aufgabenstellungen so überdeutlich zu beschreiben? Wir sind auf der Suche nach eigenständigen Mitarbeitern. Ist das nicht ein bisschen viel „an die Hand nehmen“ für Mitarbeiter, die später mal die Verantwortung für die ganze Arbeit übernehmen sollen? Fördert man so nicht die Abhängigkeit zu Leitern, die irgendwann nicht mehr da sein werden? Ich kann diese Einwände gut verstehen und finde es auch Wert darüber nachzudenken. Aber das Problem ist doch nicht, dass wir im Moment keine eigenständigen Mitarbeiter haben. Im Moment haben wir doch gar keine Mitarbeiter. Ich bin überzeugt, dass wir nicht von Menschen erwarten können, unsere Vision von heut auf morgen zu übernehmen und eigenständig fortzuführen. Das kommt nach und nach. Und dann werden sie auch mit der Zeit ihre eigenen Visionen entwickeln. Sie werden den Freiraum, den wir ihnen manchmal doch so ungern geben, immer mehr einfordern und nach und nach tatsächlich zu den eigenständigen Mitarbeitern werden, die wir uns erträumt haben. Bloß vielleicht mit einer leicht anderen Vision wie der, die wir mal hatten.