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Evangelisation

Es geht nichts verloren, wenn Liebe sich verschenkt

Durch die Sehnsucht nach Veränderung und Gottes Wirken, begann die Gemeinde Wuppertal-Barmen in den 80-er Jahren mit missionarischen Einsätzen. Einsätze, die eine ganze Gemeinde prägten und bis heute Auswirkungen zeigen.

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18. Juni 2013
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8 min
1986 saßen einige Älteste der Gemeinde Wuppertal-Barmen mit rauchenden Köpfen und vielen Kannen Kaffee zur Wochenendklausur in Rehe zusammen. „Unsere Gemeinde soll anders werden.“ – so ihr Thema. Vor ihnen stapelte sich ein Turm von Büchern: Über die neusten – garantiert erfolgreichen – Missionsmethoden, Gemeindebaukonzepte und natürlich auch die Bibel. Strategiepapiere wurden geschrieben und nach drei Tagen harter Arbeit wurde „VISION 2010“ geboren. Mission und Diakonie waren die großen Schlagworte der Zukunft. Nun fehlten nur noch die Zielvereinbarungen für die einzelnen Bereiche, geeignete Leiter mussten gefunden werden und schon konnte die etwas verstaubte Gemeinde mit frischem Wind ins neue Jahrtausend abheben.

Nein – genau so war es eben nicht! Auch wenn es stark überzeichnet war, so glaube ich doch, dass wir Christen manchmal meinen, ein paar clevere Konzepte und Strategiepapiere würden genügen, um aus leeren Gemeindesälen wieder Oasen des Glücks für die Welt werden zu lassen. Aber wer den folgenden Bericht in dieser Erwartung liest, sollte lieber gar nicht erst weiterlesen. Denn dieses Zeugnis über die Veränderung unserer Gemeinde ist nicht Modell für alle anderen Gemeinden, verspricht keine Erfolgsgeheimnisse und eignet sich schon gar nicht als Vorlage neuer Gemeindebaukonzepte.

Ich schreibe den Bericht trotzdem! Weil ich jeden Leser ermutigen möchte, sein Herz immer wieder neu Jesus zu geben, kleine Schritte des Glaubens und der Liebe zu gehen und dann zu sehen, wohin Gott ihn, seine Jugendgruppe oder auch Gemeinde führt.

Wie alles begann

Irgendwann Anfang der 80-er Jahre brachen in einigen Jugendlichen der Gemeinde in Wuppertal Barmen Fragen auf, die uns in Bewegung brachten. „Wozu leben wir? Warum gibt es woanders dynamische Gemeinde- und Missionsbewegungen und hier ist alles wie immer? Wie können wir als Christen unsere Verantwortung für die Welt – oder doch wenigstens für unsere Nachbarn, Klassenkameraden und Studienkollegen leben?“ So lasen wir Bücher von Francis Schaeffer, Jim Wallis, Georg Verwer, Josh Mc Dowell, William Mc Donald, Georg Müller, Keith Green und natürlich die Bibel. Mission war bei uns damals kein Fremdwort – so gab es seit vielen Jahren in einem Stadtteil Wuppertals im Privathaus von Gemeindegliedern eine missionarische Kinderarbeit mit vielen Kids aus Migrationshintergrund. Aber in der Gemeinde selbst war wenig von der Dynamik des Christseins zu sehen. So lasen wir Bücher von Francis Schaeffer, Jim Wallis, Georg Verwer, Josh Mc Dowell, William Mc Donald, Georg Müller, Keith Green und natürlich die Bibel.

Und wir fingen Feuer

Als Jugendgruppe organisierten wir die ersten Offenen Abende. Dabei machten wir alles selber: Werbung, Musik, Zeugnisse und auch die Predigten. Wir gingen auf die Straße, führten Anspiele in der Fußgängerzone auf und luden unsere Freunde ein. Menschen kamen und manche kamen auch zum Glauben. Das war neu für die Gemeinde. Plötzlich mussten Themen neu durchdacht werden, auch die, die man gar nicht durchdenken wollte. In diese Zeit des Aufbruchs kam der erste Mobile Treffpunkt der Barmer Zeltmission genau richtig. Doch es gab Gegenwind. Über den Glauben diskutieren, ist das überhaupt biblisch? Der Einsatz fand trotzdem statt und viele Geschwister machten mit: in den Schulungen und beim Einsatz, beim Kochen für das Team und in Gebetsgruppen. Menschen betraten unser Gemeindehaus, die ohne den Einsatz niemals den Weg zu uns gefunden hätten.

Missionseinsätze in der Stadt

Teebuseinsätze wurden die nächsten 15 Jahre zur festen Größe in der Jugendarbeit – und später auch in der Gemeindearbeit. Dabei stellten wir fest, dass die, die erst einmal mitmachten und bereit waren, etwas für Jesus zu bewegen, sich veränderten. Aus Skeptikern und Kritikern wurden Mitstreiter. Wir lernten Jugendliche aus Randgruppen kennen und bekamen ein Herz für diese Leute. Wir wollten helfen! Doch wie? Mit den neuen Begegnungen öffnete uns Gott den Horizont für andere hingegebene Christen, die schon lange missionarisch aktiv waren und uns zum Vorbild wurden. Innerhalb der Jugendgruppe wurde Mission ein zentrales Thema. Wir organisierten Missionseinsätze in anderen Städten, fuhren als Team mit dem Mobitreff nach Wittenberg, Kiel oder Hamburg und machten eigene Einsätze mit der Strandmission.

Gefährdetenhilfearbeit mit Folgen

In dieser Entwicklung gründeten wir 1992 die Gefährdetenhilfe Kurswechsel. Von Anfang an war uns die enge Vernetzung mit der Gemeinde wichtig. Und wieder wurden einige Geschwister für die Missionsarbeit gewonnen, indem sie mit ins Jugendgefängnis fuhren, auf Knastmissionsreise nach Ungarn mitkamen, oder sich anderweitig in der Gefährdetenhilfe engagierten. 1999 kam die Kontaktgruppe in der Justizvollzugsanstalt Willich dazu. Einige Frauen fahren bis heute regelmäßig dorthin und begegnen dort einer ganz anderen Welt. 1999 startete der wöchentliche Jugendgottesdienst „j.w.d.“ – ein evangelistischer Treffpunkt nicht nur für junge Menschen. Damit wurde ein Ort geschaffen, zu dem jeder jede Woche seine ungläubigen Freunde mitbringen kann.

Weltmission

Vor einigen Jahren kam ein junges Ehepaar aus der Gemeinde mit dem Wunsch zu uns, mit „New Tribes Mission“ zu den unerreichten Völkern zu gehen. Das war für uns ein weiterer Meilenstein hin zu einer Gemeinschaft von Christen, die Verantwortung für Missionare im Ausland übernehmen möchte. Unsere Freunde Sam und Judith, die beide einige Jahre in der Wohngemeinschaft der Gefährdetenhilfe mitgelebt und mitgearbeitet hatten, sind heute in Indonesien, und wir sind ihre sendende Gemeinde, mit allen Verpflichtungen, die dazu gehören. Dadurch weitete sich unser Blick, denn da gingen ja unsere Freunde in die Mission. Diese Weitsicht hatte Folgen. Innerhalb der Jugendgruppe gab es die letzten Jahre immer Jugendliche, die zu Jahreseinsätzen im Ausland waren.

Stadtteilarbeit

Als vor drei Jahren eine kleine Brüdergemeinde in unserer Stadt ihre Türen schloss standen die letzten beiden Familien von dort mit der Frage vor uns, was denn nun mit dem Gemeindehaus und dem Mietshaus mit Ladenlokal geschehen solle. Wir als Älteste haben lange gebetet und uns ein klares Zeichen von oben erbeten. Sollte Gott uns hier etwa nochmal eine neue Arbeit anvertrauen? Gott gab uns Gewissheit, hier ein neues Projekt zu beginnen. Und er gab die finanziellen Mittel, eine kompetente Leiterin und Mitarbeiter. So öffnete im April 2011 der Stadtteiltreff „S-48“ in Wuppertal-Langerfeld seine Türen. Hier wächst langsam eine neue missionarische und diakonische Arbeit mit Café, Mutter-Kind-Kreis, Seniorenfrühstück, Hausaufgabenhilfe und Jungschar. Gemeindeglieder finden hier eine Gelegenheit, sich mit ihren so ganz unterschiedlichen Gaben einzubringen. Die Möglichkeiten sind gewaltig und wir stecken noch in den Kinderschuhen. Es läuft nicht alles rund, wir sind wieder einmal Lernende.

Verändert!

Über all dem hat sich die Gemeinde sehr verändert. Nicht ohne Konflikte – ja sogar mit Streit. Das zu verschweigen wäre unehrlich. Aber wer als Gemeinde rausgeht, wird sich selbst mit verändern müssen: Als Einzelner, aber auch als Gemeinde. Das gebietet die Liebe zu Jesus und die Liebe zu den Menschen. Die Botschaft ist gleich geblieben – aber doch hat sich die Art verändert, wie wir sie heute weitersagen. Wir sind barmherziger geworden. Wir wollen die Herzen der Menschen gewinnen. Auch der Schwerpunkt unserer Verkündigung hat sich verändert. Gottes Liebe und Gnade wurde uns wichtiger als die Mühseligen und Beladenen zu uns kamen. Und während wir ihre Wunden verbanden und ihnen die Liebe Gottes brachten, merkten wir, dass auch wir nicht alles wissen und können, nicht ohne Zweifel sind und fallen. Dass auch wir immer noch Gottes Vergebung, Liebe und Barmherzigkeit brauchen. Das mit dem Herzen zu verstehen hat Folgen. Denn wer sich von Gott bedingungslos geliebt und angenommen weiß, lebt demütiger und freier und dient anders. Christsein heißt dann nicht mehr, Leistung zu bringen, sondern aus der Beziehung zu Christus zu leben, zu lieben und zu dienen.

Und so wie es beim Christsein immer auf Beziehung ankommt, so ist es auch innerhalb der Gemeinde und in aller missionarischen oder diakonischen Arbeit. Sind wir jetzt Weicheierchristen geworden? Oberflächlich, ohne Tiefgang und angepasst? Nein, ganz und gar nicht. Denn unsere Botschaft ist auch radikaler geworden. In unseren Gruppen geht es heute weit mehr um Beziehungsarbeit als um Veranstaltungen. Wir wollen Beziehungen zu Menschen bauen, Vertrauen gewinnen, ehrlich Anteil nehmen – und dabei das Evangelium leben und wenn es angebracht ist auch weitersagen. Leitvers ist uns hier 1. Thessalonicher 2,8: „Ihr wart uns so lieb geworden, dass wir mit ebenso viel Freude, wie wir euch das Evangelium weitergaben, auch unser ganzes Leben mit euch teilten.“

Sind wir jetzt Weicheierchristen geworden? Oberflächlich, ohne Tiefgang und angepasst? Nein, ganz und gar nicht. Denn unsere Botschaft ist auch radikaler geworden.

Wie können wir ein ungekreuzigtes Leben führen wenn Jesus am Kreuz für uns starb?
Wie können wir am Elend in unserer Stadt einfach vorbeigehen?
Wie können wir nur nach oben in den Himmel schauen, wenn neben uns Menschen auf dem Weg zur Hölle sind?
Wie können wir an einen großen Gott glauben aber doch nur wenig von ihm erwarten?

Ist jetzt alles toll?

Manche denken nun, wir wären eine ganz tolle Gemeinde. Vorbildlich und beneidenswert. Aber das ist falsch gedacht. Mit den neuen Menschen und Aufgaben kommen viele neue Probleme, Aufgaben, Fragestellungen und Herausforderungen. Wir sind bunter geworden, lauter und unübersichtlicher. In einer wachsenden Gemeinde mit vielen unterschiedlichen Menschen verschiedener Prägung kann es für den Einzelnen anonymer werden. Wir verlieren Menschen zu schnell aus dem Auge. So sind wir oft sehr gefordert und manchmal auch überfordert. Dabei geschehen Fehler und manchmal entsteht Streit. Und wieder müssen wir an uns arbeiten, besser kommunizieren, barmherziger im Umgang miteinander werden, gute Strukturen schaffen, füreinander und miteinander beten. Wir haben keinen Grund, stolz zu sein oder uns für toll zu halten. Dafür zeigt uns Gott immer wieder sehr klar unsere Begrenztheit auf. Mission und Diakonie sind kein Mittel zum Zweck sondern Herzensangelegenheiten.

Durch Gottes Gnade

Mission und Diakonie sind keine Methoden, mit denen wir „wieder an Menschen kommen“. Wenn wir missionieren oder diakonische Projekt starten, weil wir darin eine Marketingstrategie sehen, werden uns die Menschen das schnell abspüren. Und wir selber werden schnell die Lust am Projekt verlieren. Denn so einfach kommt man nicht an Menschen. Wir brauchen viel Zeit, Geduld, Liebe und die Bereitschaft, uns selbst verändern zu wollen. Mission und Diakonie sind kein Mittel zum Zweck sondern Herzensangelegenheiten. Wir müssen lernen, die Menschen zu lieben, sie anzunehmen, ihnen Wertschätzung zu geben.

Darum versuchen wir uns gegenseitig immer wieder klar zu machen, dass jeder Mensch von Gott geschickt ist, der unser Gemeindehaus, unseren Jugendgottesdienst, unser Café, oder unsere Gruppe betritt. Er ist eine Gabe Gottes, ein Geschenk des Himmels. Gott hat uns diesen Menschen anvertraut. Werden wir gut mit ihm umgehen? Vermutlich nicht immer. Aber wir wollen lernen, daran wachsen und in der Größe, die wir in Gott erleben, selber klein werden. Aus seinen Gaben etwas zu machen, das ihn und nicht uns ehrt – das war und bleibt unsere Verpflichtung.

Ich könnte noch viel schreiben über große und kleine Wunder. Über Hauskreise, Radiosendungen, Beachgottesdienste, Siege und Niederlagen, Menschen und ihre Geschichten. Der Platz reicht nicht. Im Rückblick staune ich über das, was Jesus mit uns tat und tut. Es waren nicht unsere Konzepte, unseren langfristigen Pläne, unser toller Einsatz. Es war und ist Gnade. Das schreibe ich, weil es meine feste Überzeugung ist.

Gott hat uns wunderbare Menschen anvertraut, neue Mitarbeiter geschenkt, Häuser für die Gefährdetenhilfe gegeben, ein stillgelegtes Gemeindehaus und Mietshaus für den Stadtteiltreff anvertraut. Nichts davon wäre da, wenn er es nicht gegeben hätte. Aus seinen Gaben etwas zu machen, das ihn und nicht uns ehrt – das war und bleibt unsere Verpflichtung.