Die Pharisäerfalle
Die Pharisäer dachten, wenn sie Gottes Gebote im Detail erfüllen, wird es ihm gefallen. Jesus sagt ihnen aber deutlich, dass das göttliche Prinzip hinter dem Gebot viel wichtiger ist. In dieser Bibelarbeit geht es um die Spannung zwischen Relativismus und Gesetzlichkeit.
Ziel
Die Jugendlichen lernen einen gesunden Umgang mit Gottes Geboten und können zwischen Bibeltreue und Gesetzlichkeit unterscheiden.
Einstieg
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Entstanden ist der Pharisäer der Überlieferung nach auf der nordfriesischen Insel Nordstrand, und zwar im 19. Jahrhundert. Zu jener Zeit amtierte dort der besonders asketische Pastor Georg Bleyer. Bei den Friesen war es Brauch, in seiner Gegenwart keinen Alkohol zu trinken. Bei der Taufe des sechsten oder siebenten Kindes des Bauern Peter Johannsen bedienten sie sich einer List und bereiteten das oben beschriebene Mischgetränk zu. Die Sahnehaube verhinderte dabei, dass der Rum im heißen Kaffee verdunstete und es nach Alkohol roch. Selbstverständlich bekam der Pastor stets einen „normalen“ Kaffee mit Sahne.
Bei Entdeckung soll er ausgerufen haben: „Oh, ihr Pharisäer!“ Und damit hatte das Nationalgetränk der Nordfriesen nicht nur seine Geschichte, sondern auch seinen Namen. Die Geschichte des Getränks wurde in den 1970er Jahren von der norddeutschen Musikgruppe Godewind auch in einem Lied mit dem Titel Pharisäer erzählt.(Quelle: Wikipedia)
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Einfach über eine Frage: Kannst du dich mit den Pharisäern identifizieren? Denkst du, dass du auch ein Pharisäer bist?
Erarbeitung
Der Text schildert uns zwei Begegnungen von Jesus mit den Pharisäern. Beide Geschichten passieren am Sabbat, dem heiligen Ruhetag der Juden. Und beide sind richtig spannungsgeladen. Keine Heilung, keine Berufung, keine Sündenvergebungsgeschichte. Hier entzündet sich ein richtiger Konflikt, der das ganze Leben von Jesus anhalten wird. Mit wem und warum?
Wer waren die Pharisäer?
Pharisäer haben ein negatives Image bei uns oder? Heuchler, Betrüger, hinterlistig, Besserwisser. Solche Wörter kommen mir in den Kopf. Deshalb denken wir häufig, dass wir nichts mit den Pharisäern zu tun haben, weil wir natürlich nicht so sind wie sie.
Aber Pharisäer waren eigentlich die straighten Gläubigen ihrer Zeit. Jedenfalls wollten sie das sein. Sie waren von ihrem Grundsatz her keine Aufwiegler, Schwindler oder Verbrecher. Die Pharisäer war eine religiöse Partei aus Schriftgelehrten, die auf die genaue Einhaltung des Gesetzes Wert legte. Sie wollten gottgefällig leben. "Pharisäer" bedeutet wahrscheinlich "die Abgesonderten". Also die Heiligen. Sie wollten, dass Gottes Gesetz streng befolgt wird und nicht durch die böse Welt, z.B. die Besatzungsmacht der Römer, verunreinigt wird.
Warum kam Jesus nicht mit ihnen klar?
Markus 2,24-26
Als die Jünger von Jesus am Sabbat durch die Getreidefelder gehen, pflückten sie so im Gehen einige Ähren ab. Als die Pharisäer das mitbekommen, verwarnen sie Jesus, weil jegliche Arbeit am Sabbat verboten war. Die Pharisäer betrachteten das, was die Jünger taten als Ernten und Ernten war Arbeit. Und Arbeit war verboten. Jesus kontert ihre Beschuldigung mit einem Beispiel aus dem Alten Testament, wo David in einer Notsituation von den verbotenen Schaubroten aß. Jesus legitimiert Davids Handlung, weil die Notsituation des Hungers wichtiger als rituelle Reinheit ist.
Markus 2,27
Und Jesus legt noch einen drauf und verweist die Pharisäer auf den ursprünglichen Sinn des Sabbatgebotes. Der Sabbat ist dafür gemacht, dass wir uns ausruhen und auf Gott fokussieren können. Dass wir auftanken können und nicht durcharbeiten. Er verweist also auf die Intention des Sabbats.
Für die Pharisäer ist der Sabbat aber eine Art Kontrollmechanismus geworden, womit man die Religiosität der Menschen überprüfen konnte und sie an dem äußerlichen Verhalten verurteilen konnte. Das war das Problem. Den Pharisäern war die penible Einhaltung des Gebotes wichtiger geworden als der Sinn des Gebotes. Über die Jahrhunderte hatten sich aus dem alttestamentlichen Gebot der Sabbatruhe weitere Zusatz-Vorschriften entwickelt, die jeder Jude einhalten musste - jedenfalls, wenn es nach den Pharisäern ging. Eigentlich meinten sie es gut, weil sie dem Gesetz Gottes möglichst treu folgen wollten, aber das Ergebnis war Gesetzlichkeit. Ein Zustand, wo es mehr um die Einhaltung der Regeln ging, als um den göttlichen Wert hinter dem Gebot. Gesetzlichkeit ist der Ursprung für Religiosität. Menschen müssen einen Katalog an Regeln halten, dann leben sie wie es Gott gefällt.
Dieses Schema verdeutlicht, worum es den Pharisäern ging und worum es Jesus geht:
(Diese Dateien findest du auch oben unter dem Symbol für “Anhänge” zum Herunterladen)
Das erste Beispiel mit den sozialen Abgaben stammt aus Lukas 11,41-42. Dort schildert Jesus das gleiche Problem. Die Gesetzlichkeit der Pharisäer hat dazu geführt, dass es ihnen wichtiger wurde, sogar ihre kleinsten Ernteprodukte (Kräuter) zu verzehnten, sie aber dabei die Bedürftigen um sich herum systematisch außer Acht gelassen haben. Sie dachten, wenn wir Gottes Gebote im Detail erfüllen, wird es ihm gefallen. Jesus sagt ihnen aber deutlich, dass das göttliche Prinzip hinter dem Gebot viel wichtiger ist.
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Natürlich kann man den Zehnten auch von seinen Kräutern an die Tempelangestellten geben. Aber viel wichtiger ist es, die Armen zu unterstützen, weil darum geht es bei dem göttlichen Wert dahinter eigentlich.
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Und wenn Menschen in Notlagen sind und Hunger haben, dürfen sie am Sabbat auch die nötigen Ähren pflücken oder von den heiligen Schaubroten essen.
Markus 3,1-6
In dieser Geschichte treibt Jesus das Problem der Pharisäer auf die Spitze. Jetzt geht Jesus in die Offensive und dreht den Spieß um. Jesus ging an einem anderen Sabbat wieder in die Synagoge und dort war ein Mensch anwesend, dessen Hand gelähmt war. Nach der Ansicht der Pharisäer ist Heilung am Sabbat Arbeit und damit nicht erlaubt. Jesus stellt den Pharisäern die alles entscheidende Frage:
4 „Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses? Soll man ein Leben retten oder es zugrunde gehen lassen?“ Sie schwiegen. 5 Da sah er sie zornig der Reihe nach an und war zugleich traurig über ihre verstockten Herzen. Dann befahl er dem Mann: „Streck die Hand aus!“ Der gehorchte, und seine Hand war geheilt.
- Markus 3,4-5 NeÜ
Jesus widerspricht dem Arbeitsverbot am Sabbat grundsätzlich nicht. Er macht den Frommen nur deutlich, dass es manchmal auch Ausnahmen geben muss, nämlich wenn das "Gesetz des Lebens" in Gefahr steht. Jesus macht den Pharisäern deutlich, dass die wichtigen Werte Gottes, wie Barmherzigkeit, Liebe, Gerechtigkeit, Gutes tun,...höher stehen als die peinliche Einhaltung des Gesetzes. Damit steht Jesus trotzdem hinter dem Ruhetag. Der Sabbat wurde so strikt von Gott vorgeschrieben (vgl. 4. Mose 15,32), weil Gott uns Menschen so gut kennt und weiß, dass wir gerne mehr arbeiten und uns über unsere Leistung definieren. Gott will aber, dass wir den Fokus auf ihn nicht verlieren, deswegen sollen wir unbedingt einen Ruhetag einhalten. Letztendlich geht es gar nicht genau um den bestimmten Wochentag (vgl. Kol 2,16; Röm. 14,5), sondern um Einhaltung des Prinzips.
Gott geht es um die Einhaltung des Prinzips, nicht um die korrekte Einhaltung von Zusatzregeln oder um das Halten der Gebote ohne jede Ausnahme in Notlagen.
Was hat das mit uns zu tun?
Wir stehen heute auch noch in dem Spannungsfeld die Bibel eng oder intentional auszulegen. Eng heißt, den genauen Wortlaut ohne Ausnahme zu befolgen. Intentional bedeutet die Intention des Gesetzes im Blick zu behalten und in Ausnahmen sogar anders zu handeln als die allgemeine Anweisung. Als Beispiel für unsere Zeit kann man die Ehescheidung anführen. Wenn eine Ehepartner häusliche Gewalt erlebt, keine Versöhnung oder Verbesserung der Situation möglich ist, kann man an der Stelle nicht stur auf Jesus Gebot verharren
Was nun Gott zusammengefügt hat, soll ⟨der⟩ Mensch nicht scheiden.
- Matthäus 19,6
In so einem Ausnahmefall liegt das Wohlbefinden, seelisch und körperlich gesehen, über dem Verbot der Ehescheidung. Trotzdem bleibt das prinzipielle Gebot bestehen, als Ehepaar für immer zusammenzubleiben.
Auch heute stehen wir alle, die wir Gottes Wort ernst nehmen wollen, immer in der Gefahr, gesetzlich zu werden. Uns ist es wichtig, Gottes Gebote einzuhalten und das ist auch richtig so. Gott hat sich aber bei seinen Geboten etwas gedacht. Und wir sollten das Prinzip dahinter besonders verinnerlichen und aufpassen, keine engeren Zusatzregeln zu entwickeln, die gar nicht in der Bibel stehen.
Ein Beispiel für eine Zusatzregel sieht du in diesem Diagramm:
Sex außerhalb der Ehe möchte Gott nicht, weil er Geschlechtsverkehr als intimes Bindungsmittel geschaffen hat, mit dem zwei Menschen so intim zusammenwachsen, dass sie eins werden und fest beieinander bleiben. Deswegen ist das Gebot total sinnvoll und mega wichtig. In einigen Gemeinden ist es nun aber verboten, dass unverheiratete Partner in der gleichen Wohnung übernachten. Man muss dazu sagen, dass diese Regel sehr verständlich und sinnvoll ist, weil man der Versuchungen, miteinander zu schlafen, nicht wirklich lange widerstehen kann. Deswegen will ich hier auf keinen Fall sagen, dass es sinnvoll ist, vor der Ehe zusammenzuziehen. Ganz im Gegenteil. Ich rate davon deutlich ab. Trotzdem gibt es in der Bibel keine Regel, die das verbietet. Es geht um das Prinzip - das sollte mit dem Beispiel deutlich werden.
Anwendung
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Lebst du nach Regeln oder ungeschriebenen Gesetzen, die dich nerven und hast manchmal den Eindruck, dass Christsein total einschränkend ist? Schreib diese Regeln und Einschränkungen doch mal auf und versuche das dahinter stehende göttliche Prinzip zu entdecken. Es geht Gott nicht um das Einhalten von Regeln, sondern mit seinen Geboten möchte er uns schützen vor negativen Konsequenzen. Seine Gebote sind lebensspendend und bedeuten Segen für unser Leben. Hast du diesen Blick auf Gottes Gebote? Mit unseren Leistungen brauchen wir uns vor Gott nicht beweisen. Das können wir gar nicht. Er liebt uns, trotz unserer ganzen Sünden.
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Bei welchen biblischen Anweisungen bist du sehr eng und beharrst auf Einhaltung ohne Ausnahmen? Siehst du das Prinzip dahinter an oder geht es dir vor allem um die äußerliche Regel? Ertappst du dich auch manchmal, dass du andere Christen innerlich verurteilst? Bist du gnädig und barmherzig mit anderen Christen oder knallhart? Das bedeutet nicht, dass man von der anderen Seite kippen darf und relativistisch wird.
Anhand dieser Tabelle kann jeder von einmal überprüfen, ob er eher zur liberalen oder zur gesetzlichen Seite tendiert:
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In anderen Bibeltexten wird deutlich, die Pharisäer haben ihre eigenen Gesetze selbst gar nicht halten können und irgendwann allen etwas vorgeheuchelt haben. Geht es dir auch manchmal so, dass du dich versuchst besser darzustellen und äußerlich sehr heilig und religiös tust? Nimm deine fromme Maske ab und werde ehrlich vor Jesus. Er vergibt dir deine Sünden, du kannst mit deinen Schwächen und Fehlern ehrlich sein und brauchst dich nicht zu verstellen.
Schluss
Wir sollen die Gebote Gottes ernst nehmen, weil sie gut für uns sind. Aber wir dürfen sie niemals gesetzlich auslegen, sondern intentional.
Das Evangelium ist nicht das ABC des Glaubens, sondern das A-Z unseres Glaubens. Weil wir immer wieder in der Gefahr stehen gesetzlich oder beliebig zu werden, müssen wir uns immer wieder auf den Kern unseres Glaubens besinnen: das Evangelium von Jesus.