Christlicher Eventismus und seine Folgen
Manchmal können die vielen Dinge, die wir für Gott machen unserer eigentlichen Aufgabe in der Nachfolge im Wege stehen.
In den letzten Jahren ist mir eine große Problematik bei uns Christen und vor allem bei mir selbst bewusst geworden. Wir sind größtenteils zu Eventisten geworden. Es entstehen immer mehr Events, Veranstaltungen, Schulungen, Programme, Teamtreffen, Jugendaktionen,….und das auch noch aus so unterschiedlichen Bünden und Netzwerken. Zusätzlich entstehen neue Online-Formate und man kann sich manchmal gar nicht mehr vor Einladungen retten.
Wenn wir so weiter machen oder an allem teilnehmen, vernachlässigen wir ganz viele wichtige Prinzipien, die Gott uns gegeben hat und erreichen gar nicht das, was wir als Diener im Reich Gottes eigentlich erreichen wollen. Im Reich Gottes ist doch wichtig, dass Menschen zu Jesus finden und zu Jüngern werden. Mittlerweile wissen wir selbst, dass in diesem Prozess Veranstaltungen nur eine mehr oder wenige kleine (initiierende) Rolle spielen. Ja, Veranstaltungen sind wichtig, um Räume für Begegnungen, das Kennenlernen voneinander und von Jesus und seinen Prinzipien zu ermöglichen. Sowohl für Christen als auch Nichtchristen. Aber wenn man mehr Veranstaltungen macht als wirklich nötig, wird das Ziel der Jüngerschaft gar nicht mehr erreicht, sondern vernachlässigt und das eigene christliche Leben leidet gleichzeitig extrem darunter.
Früher hatten wir als Gemeinde fast gar keine Veranstaltungen. Ich habe es geliebt, gute neue Projekte ins Leben zu rufen und Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Mittlerweile habe ich in den letzten Jahren mit so viel mit Projekten und Veranstaltungen zu tun gehabt….sie zu starten, zu organisieren, zu leiten, zu verbessern, Teams drum herum aufzubauen, Technik zu verbessern, Dinge einzukaufen, Vorbereitungs- und Feedbacktreffen zu organisieren und so weiter…, dass ich mittlerweile glaube ein kleiner christlicher Aktionist geworden zu sein. Eigentlich macht man das alles für den Herrn, für seine Gemeinde (Jugendgruppe), aber es bringt Gott gar nicht so viel, wie wir meinen. Es kann sogar eher negative Konsequenzen für unser geistliches Leben haben. Und das muss ja eigentlich die Basis unseres Dienstes sein oder?
Folgen von geistlichem Eventismus
Man vernachlässigt sich
Unser Körper wird häufig vernachlässigt, weil wir einfach zu busy sind, um ihn zu pflegen. Dabei ist das biblisch, seinen Körper gesund zu pflegen (Epheser 5,29). Er ist immerhin der Tempel des Heiligen Geistes (1. Korinther 6,19). Aber dafür bleibt keine Zeit. Man schläft wenig, isst ungesund und schnell. Wenn man krank wird, wird der Körper hochgeputscht mit Medikamenten, statt sich auszuruhen und eine Veranstaltung abzusagen. Durchziehen, nicht Jammern, Weitermachen - das ist das Motto! Alle erwarten, dass die Veranstaltung läuft. Jedenfalls glauben wir das. Dass das auf Dauer ungesund für den Körper ist und man auf Kurz oder Lang seine Leistungsfähigkeit damit nicht nur verringert sondern seine Gesundheit sogar noch stärker riskiert, weiß jeder. Aber man hört nicht mehr auf seinen Körper
Man vernachlässigt Gott
Der Teufel ist laut, Gott ist im leisen zu finden. Jesus sucht sich immer wieder richtige Auszeiten (und zwar nicht nur am Sonntag), um an einen einsamen Ort zu gehen. Gerade dann wenn die Arbeit viel wird, zeigt er uns, wie wichtig die ausgedehnte Ruhezeit mit Gott an einem abgeschiedenen Ort ist (vgl. Markus 1,35ff). Eventismus verhindert aber ausgedehte stille Zeiten. Man liest schnell auf der Arbeit in der Bibel oder hört sich Hörbibel an, aber ausgedehte, intensive Gottesbegegnungen werden immer weniger. Nach einer erfolgreichen (häufig an den Zahlen und Rückmeldungen bemessenen) Veranstaltungen kriegt man einen kleinen Adrenalin-Kick und bedankt sich bei Gott, aber die Beziehungen zu Gott ist nicht tiefer geworden.
„Das Haupthindernis für die Liebe zu Gott ist der Dienst für Gott. Der Dienst muss aus seiner Kraft und seinem Leben kommen, das durch uns in ein aufnahmebereites Leben fließt. Nehmen Sie sich eine Stunde Zeit, setzen Sie sich an einen bequemen Platz in der Stille und tun Sie nichts als ruhen. Wenn du einschläfst, ist das in Ordnung. Wir müssen aufhören, uns zu sehr anzustrengen. Es mag einige wenige Pastoren geben, für die das nicht das Problem ist, aber für die meisten von uns ist es das.” (Henri Nouwen)
Man vernachlässigt Familie und Freunden
Die Highperformer (häufig Leiter, hochmotivierte Ehrenamtler oder Angestellte in Gemeinden) sind angespannt oder viel unterwegs beziehungsweise beschäftigt. Beziehungen laufen fast nur auf Projekt-Ebene, aber finden nicht mehr außerhalb von Aktionen oder Aufgaben statt. Man hat keine Zeit für Mentoring, tiefe Gespräche, Beziehungspflege, geschweige für regelmäßige Treffen mit Nichtchristen, weil man zu viele Termine hat. Auch die Ehe und Familie leidet darunter, dass man immer nur gestresst und gehetzt ist, viel zu tun hat und immer in Gedanken beim nächsten Projekt oder der nächsten Veranstaltung ist. Manche Ehepaare fangen an, nur noch zu funktionieren und ihren Alltag zu organisieren, aber nicht mehr ihre Liebe zu pflegen und ihre Beziehung zu genießen. Man gönnt sich zu wenige Auszeiten oder kann dann nicht richtig abschalten. Versuchungen schleichen sich ein. Freunde und Familie kommen sich als zusätzliche Belastung vor und fühlen sich als Konkurrenz zu den christlichen Aktionen, Programmen, Terminen und Aufgaben. Das kann zum Rückzug führen. Kinder ziehen sich zurück, wenn sie ein paar Mal abgewiesen wurden und wenn z.B. Papa fast nie da ist. Sie haben den Eindruck, Papa hat zu viel mit seinem Job und seiner Gemeinde zu tun, für meine Probleme und Sorgen hat er keine Zeit oder das ist halt nicht so wichtig…oder passt eben gerade nicht rein…
Man vernachlässigt seinen Charakter
Man findet keine Zeit sein Verhalten und seine Ziele zu reflektieren. Man ist häufig gestresst und im Stress sind wir die schlechteste Version unserer selbst. Im Lärm und der Rastlosigkeit unserer Zeit kann der Geist uns gar nicht reflektieren, weil wir gar keine Ruhe haben, auf ihn zu hören. So können die Früchte des Geistes auch nicht wachsen. Wir sind immer genervter, wenn Leute absagen oder nicht so mitarbeiten, wie wir es bräuchten. Wir sind verärgert, werden aufbrausend, ungehobelt, direkt, unsensibel…weil einfach alles schnell gehen muss. Auch das Reden. Wir werden schlechte Zuhörer, das Machen und nicht das aufmerksame Zuhören stehen im Vordergrund. Wir werden liebloser. Der Charakter hat keine Zeit zu wachsen. Er wird eher schlechter.
Man vernachlässigt das Ziel von Jesus für uns (auch für unsere Gemeinden):
Jesus hat nie gesagt: Mach ganz viel für mich. Sei sehr beschäftigt. Engagiere dich heftig. Sei überall dabei. Nehm dir keine Zeit für dich. Gib 150% für Gemeinde und Mission. Nein, er hat gesagt: Machet zu Jüngern alle Nationen und lehrt sie… Jesus wird am Ende nicht zu mir sagen: Du toll beschäftigter und immer aktiver Knecht. Sondern hoffentlich: Du treuer Knecht. Dem Auftrag Jünger zu machen, können wir nicht nachgehen, wenn wir nur mit Veranstaltungen und Treffen beschäftigt sind. Events können Impulsgeber und manchmal auch Bausteine von Jüngerschaft sein (und einige könnte man problemlos sterben lassen), aber wir brauchen Zeit für gute Beziehungen. Jüngerschaft geht über persönliches Leben und Lehre teilen. Das braucht Freundschaft, Zweierschaften, Kleingruppen - und vor allem Zeit. Es braucht Zeit zuzuhören, zu reflektieren, zu fördern, zu lehren, zu ermahnen und zu ermuntern.
Ein Kollege von mir sagt häufig: Das eine tun, das andere nicht lassen. Ich würde dagegen halten: Das eine oder das andere lassen, um für wichtige Beziehungen Zeit zu haben!
Wir haben häufig nicht den Mut gute Dinge zu lassen, um besseres zu tun oder? Aber was ist das Bessere? In Beziehungen zu investieren, statt noch eine Veranstaltung - egal, ob sie cool oder kreativ ist. Das Bessere ist auch einfach mehr Ruhe zu finden bei Gott und vor Gott.
Jesus hat nein gesagt, als es zu viel wurde und hat immer die Beziehung zu seinem Vater (in der Einsamkeit) und zu seinen Jüngern bevorzugt.
Denn nur mit einem starken geistlichen Leben, mit starken Beziehungen (allen voran einer stabilen, liebevollen Ehe), können wir wirklich segensreich dienen und ein gesundes Vorbild sein oder?
Meine Fragen an dich:
Bist zu stark Veranstaltungsorientiert und hast keine Zeit für Beziehungen mehr?
Wie ist eure Jugend aufgebaut? Geht es vor allem darum, dass die Treffen gut laufen oder habt ihr auch intensive Beziehungen miteinander? Gibt es Mentoring, Zweierschaften und Freundschaften?
Wie seid ihr als Leitung aufgestellt? Seid ihr Hirten der Gruppe, die sie versorgen, führen, leiten, mitnehmen und sich um sie kümmern oder seid ihr hauptsächlich Organisatoren und Andachten-Halter?
Wenn ihr euch als Mitarbeiter trefft, worum geht es hauptsächlich in euren Besprechungen? Um Veranstaltungen, Termine oder auch um Beziehungen und Jüngerschaft?
Wie gut könnt ihr Veranstaltungen, die zwar irgendwie nett sind und manche toll finden, aber eigentlich nicht wirklich dem Ziel der Jüngerschaft dienen, sterben lassen oder seltener machen? Fällt euch das schwer? Wenn ja, warum?
Wie setzt du selbst Prioritäten? Wie viel von deinem (ehrenamtlichen Engagement) geht für Veranstaltungen und Termine flöten? Wie viel investierst du in zukünftige Leiter, in Lehre, in Zweierschaften, in Gebet, in Zeit für dich und mit anderen? In Gespräche, ins Zuhören? Wo geht die meiste Zeit bei dir rein?
Hast du Freundschaften außerhalb deiner Gemeinde? Stell dir vor, die Gemeinde bricht zusammen oder alle deine Freunde dort arbeiten nicht mehr mit. Würdet ihr euch trotzdem noch treffen oder hättest du dazu gar keine Zeit, weil du dann alles auffangen musst? Oder andersherum: Was ist, wenn du wegbrichst - aus welchem Grund auch immer - würde die Freunde aus deiner Gemeinde dich entspannt besuchen kommen, um mit dir Zeit zu verbringen oder wäre dafür keine Zeit da?
Wie häufig am Tag/in der Woche kommst du zur Ruhe vor Gott?
Hast du in der Woche noch Zeiten, wo du auftanken kannst?
Versorgst und pflegst du dein Körper, indem du genügend schläfst und Sport machst?
Meine Tipps für dich als Leiter:
Sage nein zu Veranstaltungen, die nicht zu deiner Berufung passen, wenig Frucht versprechen oder die dort liegen wo du schon andere wichtige Termine hast
Beziehungen planen. Richte dir einen Eheabend ein, der fest für euch als Ehepaar reserviert ist. Und auch Freundschaftsabende.
Sprich in der Jugend- oder Gemeindeleitung über das Thema. Prüft gemeinsam, welche Veranstaltungen wirklich sinnvoll und nötig sind.
Entschlacke deinen Alltag von Veranstaltungen und Terminen, die nicht wirklich etwas bringen. Erkläre deinen Leitern ehrlich und mutig warum du nicht mehr kommen willst.
Mach deine Anerkennung nicht davon abhängig wie viel du auf Veranstaltungen bist. Jesus liebt dich genauso, wenn du Termine aufgrund von besseren Prioritäten ausfallen lässt. Er sieht sich, auch wenn du auf einer Veranstaltung nicht gesehen wirst.
Und kurz zum Schluss: Ich bin gegen ein Verteufeln von Veranstaltungen. Denn ohne Rahmen, Strukturen, Treffen und Veranstaltungen funktioniert Gemeindearbeit einfach nicht. Schon die Israeliten hatten große Feste, wo jeder hin pilgerte. Veranstaltungen können sehr gut und sehr wichtig sein. Ich appelliere einfach daran, sich selbst zu prüfen, ob sie göttliche Ziele erreichen, ob sie dran sind und vor allem, ob man selbst seine Prioritäten richtig setzt.