Als Christ mit Muslimen über den Glauben reden
Ein kleiner Werkzeugkoffer, um mit Muslimen über Jesus ins Gespräch zu kommen.
Über Jahre diskutierte ich mit islamischen Freunden über Glaubensfragen und kam bei Straßenevangelisationen mit Muslimen ins Gespräch. Aus dieser Erfahrung möchte ich dir in diesem Beitrag einige Tipps weitergeben, wie du deinen muslimischen Nachbarn, Arbeitskollegen, Mitschülern oder Kommilitonen das Evangelium weitergeben kannst.
1. Behalte das Ziel im Auge
Deine erste Priorität ist das Evangelium. Du willst die Botschaft von Jesus klar weitergeben und deinem Freund oder Freundin, deinem Nachbarn, Mitschüler oder Arbeitskollegen von Jesus erzählen. Doch gerade im Dialog mit Muslimen ist die Versuchung groß, in apologetische Diskussionen abzuschweifen. Apologetik ist enorm wichtig (wie ich unten noch schreibe), denn wir müssen den Zweifeln und Fragen, die an uns gerichtet werden, erwidern können. Doch bevor wir auf archäologische Entdeckungen zurückgreifen, antike römische Quellen zitieren oder altkirchliche Konzilien bemühen, müssen wir die rettende Botschaft vom Kreuz verkünden. Sprich also vor allem über das Evangelium, immer und immer wieder.
2. Brücken schlagen: So kannst du auf den Glauben zu sprechen kommen.
Oft ist es relativ einfach, mit Muslimen ein Glaubensgespräch anzufangen. Es gibt erstaunlich viele Anknüpfungspunkte. Du musst nicht über die Existenz von Wahrheit, Gott oder dem Leben nach dem Tod argumentieren. Muslime kennen Abraham, David und Jesus sowie viele Geschichten aus der Bibel (in abgewandelter Form). Von diesen Anknüpfungspunkten ist dein Weg zur Evangeliumsverkündigung nicht weit. Folgende Fragen eignen sich gut für das Gespräch:
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Was ist die Kernbotschaft des Islam?
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Was lehrt der Islam über den Tod und das Danach?
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Wie, glaubst du, kommst du ins Paradies (das, was im Christentum „Himmel“ heißt)?
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Kannst du dir sicher sein, dass du nach deinem Tod ins Paradies kommst?
Vielleicht klingen diese Fragen auf den ersten Blick sehr steil. Aber nach meiner Erfahrung sind viele Muslime viel offener für Glaubensfragen als der durchschnittliche Deutsche. Anders als säkuläre Europäer empfinden fromme Muslime ihren persönlichen Glauben nicht als Privatsache, die sie strikt von ihrem öffentlichen Leben trennen. Nicht wenige sind sogar dem Christentum gegenüber positiv eingestellt, u.a. weil sie die Bibel (wenn auch nur bedingt) als prä-koranische Offenbarung Allahs anerkennen.
3. Islam #101. Ein Vogelflug über Geschichte, Heilige Schriften und Theologie.
Um mit Muslimen zu connecten, ist ein bisschen Basiswissen über islamische Geschichte und Theologie hilfreich. Die Religion wurde im frühen 7. Jahrhundert vom mekkanischen Propheten Mohammed (570-632) gegründet. Arabien war zu dieser Zeit von heidnischen Nomadenstämmen bevölkert, die unter anderem an einem Schrein Mekka (heutiges Saudi-Arabien) eine Vielzahl von Gottheiten anbeteten. Ab ca. 610 empfing Mohammed vom Erzengel Gabriel göttliche Offenbarungen, die später in schriftlicher Form zur Textgrundlage des Korans wurden. Der Kern von Mohammeds Botschaft war Tauhid, die absolut unteilbare Einheit Gottes. Doch diese Botschaft kollidierte mit dem Polytheismus der heidnischen Araber. Mohammed und seine frühen Anhänger mussten um 622 von Mekka ins nördlicher gelegene Medina fliehen. Dort war der Prophet weitaus erfolgreicher als in Mekka – auch politisch. Mit seiner Anhängerschaft wuchsen sein politischer Einfluss, sein Vermögen und seine militärische Macht. Bis zu seinem Tod 632 eroberte Mohammed die gesamte arabische Halbinsel.
Dem Mainstream-Islam (abgesehen von einigen Minderheiten) gilt Mohammed als „Siegel der Propheten“, als letzter Gesandter Gottes, und der Koran als finale Offenbarung Allahs. Neben dem Koran haben die Hadithe großes theologisches Gewicht. Die Hadithe sind überlieferte Aussprüche Mohammeds und bilden die Grundlage für die Sunna, die Lebensweise des Propheten, nach der sich jeder Moslem richten soll.
Auch die biblischen Schriften werden als Aussprüche Gottes anerkannt. Als Vorgänger des Korans würdigt der Islam die Tawrat (Tora), den Zabur (Psalmen) und das Indschil (Evangelium), die den Propheten Mose, David und Jesus offenbart worden seien. All diese Schriften hätten zwar ursprünglich die islamische Botschaft bezeugt, seien aber nachträglich von Menschen verfälscht worden. Das gilt insbesondere für das Indschil, in das die Christen trinitarische Aussagen eingefügt hätten.
Ähnlich wie die Bibel lehrt der Koran eine Totenauferstehung und einen Tag des Weltgerichts am Ende der Zeit, an dem die Gerechten ins Paradies aufgenommen und die Ungerechten in die Hölle gestoßen werden. Das entscheidet sich vor allem daran, ob man an den Tauhid, Mohammed und den Koran geglaubt hat. Den Ungläubigen bleibt das Paradies verschlossen. Bei den Gläubigen werden die guten und bösen Taten, die sie während ihres Lebens angehäuft haben, gegeneinander abgewogen. Überwiegen die guten Taten – zu denen die „Fünf Säulen des Islam“ gehören: Glaubensbekenntnis (Schahada), die fünf täglichen Gebete, Almosengeben, Ramadanfasten und die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch) – wird der Betreffende ins Paradies aufgenommen. Muslime, deren böse Taten die guten überwiegen, werden für eine begrenzte Zeit in die Hölle geworfen. Die Hölle ist im islamischen Verständnis nicht nur ein Ort der Strafe für Ungläubige, sondern erfüllt auch die Funktion des Fegefeuers, das unvollkommene Gläubige von ihren Sünden reinigt. Bis zum Tag des Gerichts weiß kein Muslim, ob seine Sünden vergeben sind und ihm Einlass ins Paradies gewährt wird, oder ob er zuvor eine Reinigung in der Hölle durchlaufen muss.
4. „Trinität bedeutet, ähm…“: Apologetik im interreligiösen Dialog.
Wer Allah andere Götter beigesellt und sie anbetet, begeht Schirk, die ewig unverzeihliche Sünde (vgl. Sure 4,48). Genau das tun Christen laut dem Koran. Muslime (miss)verstehen die Trinität als Dreigötterglaube und lehnen sie im Namen des Monotheismus kategorisch ab. Die Dreifaltigkeitslehre ist für Muslime der größte Stolperstein im christlichen Glauben. Im Dialog wirst du auf lange Sicht nicht um dieses Thema herumkommen. Die Trinität auf verständliche Art zu erklären wird zwar den Stolperstein in den meisten Fällen nicht ausräumen, könnte aber zumindest einige Vorurteile überwinden und dein Gegenüber zum weiteren Nachdenken anregen. In diesem Absatz findest du einige Hilfestellungen, um die Trinität zu erklären, sowie einige der Anfragen, die Muslime oft ins Gespräch mitbringen.
Die Trinität erklären
Die Dreifaltigkeitslehre „in a nutshell“:
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Es gibt einen Gott
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Dieser Gott existiert in drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist
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Jede Person ist wahrer Gott
Gott ist ein einziges göttliches Wesen, das in drei Personen existiert. Das Wesen ist das „Was?“, die Personen das „Wer?“. Frage: „Was ist Gott?“ Antwort: Ein unteilbares göttliches Wesen. Frage: „Wer ist Gott?“ Antwort: Er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Bei uns Menschen ist das anders. Zwar sind auch wir ein Wesen (Mensch), aber nur eine Person mit unserem jeweiligen Aussehen, Begabung, Vorlieben und Abneigungen, die uns von anderen Personen unterscheiden.
Landläufige Veranschaulichungen wie „die Dreifaltigkeit ist wie Wasser, das in festem, flüssigem und gasförmigem Zustand vorliegen kann“ oder „sie ist wie ein Mann, der gleichzeitig Vater, Arbeitnehmer und Ehemann ist“ lassen viele Fragen offen. Deshalb rate ich dir, sie im Gespräch eher nicht oder nur sehr bedacht einzusetzen.
Mit Strohmännern umgehen
Die islamische Kritik an Trinität und Jesu Gottessohnschaft speist sich aus einem Zerrbild, das der Koran vom Christentum zeichnet. Laut der islamischen Heiligen Schrift ist die Trinität nichts weniger als Polytheismus, wie aus Sure 4,171 hervorgeht:
„O Volk der Schrift [d. h. Christen], überschreitet nicht euren Glauben und sprechet von Allah nur die Wahrheit. Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, ist der Gesandte Allahs und sein Wort, das Er in Maria legte, und Geist von Ihm. So glaubet an Allah und an Seinen Gesandten und sprechet nicht: „Drei.“ Stehet ab davon, gut ist’s euch. Allah ist nur ein einiger Gott“
Mit „O Leute der Schrift“ werden ausdrücklich Christen angesprochen. „Drei“ stellt einen Bezug zur Trinität her. Die Christen werden daran erinnert, dass es nicht drei, sondern nur einen einzigen Gott gibt. Aber warum? Christen glauben doch selbstverständlich nur an einen Gott…?
Offenbar trifft der Koran in Sure 4,171 eine Falschaussage: Das Christentum sei Dreigötterglaube. Wenn du also mit deinem Freund über dieses Thema diskutierst, würde es dich weit bringen, wenn du diesen Strohmann ausräumen kannst, indem du die Trinität richtig erklärst. Das Christentum ist kein bisschen weniger monotheistisch als der Islam. Sure 4,171 fährt fort:
„Preis sei Ihm [Allah], daß Ihm sein sollte ein Sohn! [d. h. Allah zeugt keine Kinder] Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden, und Allah genügt als Beschützer.“
Allah ist über die Schöpfung erhaben und zeugt keine Nachkommen. Menschen und Tiere tun das, aber Allah als geschlechtliches, sich fortpflanzendes Wesen zu bezeichnen, wäre eine schwere Beleidigung, ein Tabu. Genau diese ungünstige Assoziation wecken wir, wenn wir von Jesus als dem „Sohn Gottes“ oder von Gott als “Vater” sprechen. Unser Gegenüber stellt sich dann vor, Jesus sei aus einem biologischen Verhältnis zwischen Gott und Maria geboren worden. Für manche Muslime klingt das sogar an pagane Halbgöttermythen an – was nur den Verdacht, das Christentum sei heidnisch, bestätigt. Doch Sure 4,171 verzerrt den christlichen Begriff der Gottessohnschaft Jesu. Denn als Christen verstehen wir Jesus nicht als Herakles-artigen Halbgott, der aus einer Beziehung zwischen Gott und Maria hervorging. „Sohn Gottes“ ist ein Hoheitstitel, der die Vollmacht von Jesus als von Gott eingesetzter messianischer König unterstreichen soll.
5. Die Liste der Problem-Themen
Das Konfliktpotenzial zwischen dem Islam und der westlichen Kultur ist enorm. Deshalb ist bei den zwei Themen, auf die ich in diesem Abschnitt eingehen möchte, viel Sensibilität gefragt. Ich möchte auf Mohammed-Kritik und religiöse Gewalt zu sprechen kommen, wobei sich die Liste der Problem-Themen noch weiter fortführen ließe.
Mohammed-Kritik
Chautauqua im US-Bundesstaat New York, 12. August 2022, 10:47 Uhr. In einem Hörsaal macht sich der 75-jährige Salman Rushdie für seinen Vortrag bereit. Plötzlich stürmt ein 24-jähriger Mann aus dem Publikum mit einem Messer auf die Bühne und sticht Rushdie nieder. Panik breitet sich aus, als der Intellektuelle zu Boden geht. Einige Zuschauer bekommen den Angreifer zu fassen, der noch immer wild auf Rushdie einsticht, und zerren ihn beiseite. Während zwei Polizisten den Mann in Gewahrsam nehmen, wird Rushdie per Helikopter auf die nächste Intensivstation geflogen und dort notoperiert. Er hat zehn Stichwunden erlitten und ein Auge verloren, seine Lage ist kritisch… doch die Ärzte können ihn stabilisieren. Salman Rushdie überlebt auch diese Attacke. Der libanesisch-stämmige Täter Hadi Matar steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.
Der Angriff in Chautauqua ist nicht der erste Mordanschlag auf Salman Rushdie. 1989 explodiert in einem Londoner Hotelzimmer eine Bombe, die zwei Stockwerke verwüstet. Der Täter, der bei der Explosion ums Leben kommt, hatte die Bombe für Rushdie vorbereitet, der aber in diesem Moment nicht im Hotel war. Im Jahr 2010 erscheint der Name Salman Rushdie auf einer Abschussliste der Terrororganisation Al-Qaida.
Warum das alles? 1988 veröffentlichte Rushdie einen Roman mit dem Titel „Die Satanischen Verse“, der die islamische Welt in Rage brachte. Der Roman nimmt Bezug auf eine Legende über den Propheten Mohammed, der versehentlich Aussagen des Teufels als göttliche Offenbarung verkündet habe. Eine schwere Beleidigung gegen den Propheten, gleichbedeutend mit Gotteslästerung. Nach der Veröffentlichung von „Die Satanischen Verse“ gehen weltweit Muslime auf die Straße. Der Sudan, Sri Lanka und andere Staaten setzen den Roman auf die Liste der verbotenen Bücher. Eine britische Moscheegemeinschaft inszenierte sogar eine öffentliche Buchverbrennung der „Satanischen Verse“. Ihren Höhepunkt erreicht die Kontroverse im Februar 1989: Ayatollah Khomeini, das religiöse und politische Oberhaupt des Iran, erlässt eine fatwa (Rechtsbeschluss), die alle Muslime zur Beseitigung des Autors aufruft – und dem Mörder beträchtliche 6 Millionen US-Dollar verspricht. Der als indischer Moslem geborene Rushdie gilt als Gotteslästerer und Apostat.
Das alles soll dich nicht davor abschrecken, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. Es soll nur zeigen, wie tief die Mohammed-Verehrung im islamischen Denken verwurzelt ist. Die Beleidung des Propheten ist gleichbedeutend mit Gotteslästerung. Deshalb wäre es kontraproduktiv, Mohammed direkt zu kritisieren. Auch wenn du die Kritik respektvoll vorbringen und auf Fakten stützen könntest, würde es wahrscheinlich nur die Fronten verhärten. In einem Gespräch mit einem sehr geschätzten muslimischen Freund merkte ich an, dass Mohammed die Trinität falsch verstanden habe. Das provozierte eine sehr vehemente Gegenreaktion: „Mohammed kann nicht falsch liegen! Er ist ein Prophet, und was er sagt, kommt direkt von Gott!“ Wir sind nach wie vor Freunde. Ich bin ausgesprochen dankbar, dass er es mir nicht nachträgt.
Religiöse Gewalt
Im 21. Jahrhundert sehen sich viele Muslime genötigt, den Namen ihrer Religion reinzuwaschen. Angefangen mit dem 11. September 2001 haben die Terrorakte der zwei vergangenen Jahrzehnte den Islam in Europa und Amerika in Verruf gebracht.
Wir dürfen auf keinen Fall annehmen, dass alle Muslime gewaltbereite religiöse Fanatiker sind. Und wir dürfen sie nicht in Rechtfertigungsnot bringen, wenn Zeitung, Fernsehen und News-Ticker von Selbstmordattentaten und Todes-fatwas berichten. Gerade im Westen bekennen sich viele Muslime zu einer friedlichen Koranauslegung und distanzieren sich von jeglicher Gewalt im Namen Allahs. Auch leiden sie darunter, dass Taliban, Al-Qaida und IS die Außensicht auf ihre Religion trüben.
6. Fazit
Die Quintessenz aller Evangelisationstools, die ich dir in diesem Artikel vorgestellt habe, ist: Klarheit. Klarheit bei der Verkündigung des Evangeliums und in der Diskussion um interreligiöse Stolpersteine.
Doch diese Tools sind kein Automatismus. Das Evangelium klar zu artikulieren oder die Gottessohnschaft Jesu verständlich zu erklären, sind kein an sich Garant für ein fruchtbares Gespräch. Ebenso wichtig ist die menschliche Komponente. Nichts kann Wertschätzung, Liebe und Respekt für dein Gegenüber und seinen Glauben ersetzen. Das Wichtigste ist aber die Erkenntnis, dass selbst unsere größten Bemühungen keine Herzen verändern können. Deshalb sind wir bei jeder Begegnung mit Menschen, die Jesus nicht kennen – ob Muslime, Agnostiker oder Esoteriker – herausgefordert, auf Gott zu vertrauen und ihn im Gebet darum zu bitten, dass er das tut, was nur er tun kann: Einen Menschen zum Glauben zu führen.
7. Buchempfehlung
Allah gesucht, Jesus gefunden. Nabeel Qureshi.